In der englischsprachigen Welt ist Gertrude Elizabeth Margaret (G.E.M.) Anscombe ein wichtiger Bezugspunkt in der philosophischen Debatte. Der Suhrkamp-Verlag legte nun eine Aufsatzsammlung dieser streitbaren Professorin an der Universität von Cambridge vor, die ihr Denken besser zugänglich macht. Die Texte sind die einer analytischen Philosophin und erfordern viel Konzentration beim Lesen. Der Sammelband erleichtert aber den Zugang zu den Texten, indem den Leserinnen und Lesern eine Lektürehilfe zur Seite gestellt wird.
Anscombe tritt in dem Buch als scharfe Kritikerin der Moralphilosophie auf. Ihr Schlüsseltext „Die Moralphilosophie der Moderne“ versucht zu erklären, dass „es derzeit zwecklos ist, Moralphilosophie zu treiben“ (S. 142). Es mache keinen Sinn weiter über „Pflicht“ und „moralisch richtig bzw. falsch“ zu reden. Selbst das „Sollen“ habe keine Bedeutung mehr. Anscombe sagt, dass diese Begriffe stets auf moralische Gesetze verweisen. Diese habe es in der Geschichte gegeben, nämlich in auf Gott gegründeten Regelwerken. Da heute aber Moral unabhängig von einem Gott bestimmt wird, fehlt den oben genannten Begriffen der Bezug.
Die Philosophin diskutiert dann die wichtigsten alternativen moralischen Bezüge, vor allem den Konsequenzialismus, wonach Handeln moralisch nach den intendierten Folgen zu bewerten sei. Sie verwirft diese Idee, da sie bedeutet, dass man selbst grausamste Dinge tun könne, wenn man nur glaube, man löse gute Folgen aus.
Es gibt zwei Antworten auf die Unbegründbarkeit grundlegender moralischer Wertungen in der Moderne. Die eine wäre die Rückkehr zu auf Gott gegründete Gesetzesethiken. Will man das nicht, so deutet Anscombe an, dass es auch andere Wege gebe. Sie bleibt beim Verwerfen der diskutierten Begriffe wie „moralisch falsch“. Aber sie schlägt stattdessen vor, auch heute noch bestimmbare Begriffe zu nutzen, auf denen sich eine Ethik aufbauen lassen könnte. Sie nennt als Beispiele „ungerecht“ und „verlogen“.
G.E.M. Anscombe Aufsätze. Hrsg. v. K. Nieswandt ... Berlin: Suhrkamp, 2014. 400 S., € 18,00 [D], 18,50 [A], sFr 19,30 ; ISBN 978-3-518-29701-8