"Der amerikanische Staat wendet das Steuergeld dafür auf, den Bürgern das stolze Gefühl zu vermitteln, Bewohner des mächtigsten und besten Landes der Welt zu sein." Oder: "Nicht weil sie zu viel Geld ausgegeben haben, sind die USA pleite, sondern weil sie für einen bestimmten Bereich das Geld immer zu spät ausgeben - nämlich für Sozialpolitik." Die pointenreichen Aussagen Josef Haslingers über jenes Amerika, das er über ein Jahr lang bereist hat, ließen sich lange fortsetzen - nicht nur zur Weltmilitärmachtrolle der USA und ihren sozialen Problemen. In elf subtilen Essays beschreibt der österreichische Schriftsteller Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik der Vereinigten Staaten. Haslinger leugnet dabei die Vorzüge des Landes, etwa jenes" In-Ruhe-gelassen-Werden", das z. B. einen in Europa noch immer schwer vorstellbaren Multikulturalismus ermöglicht, keineswegs, doch sein Hauptinteresse gilt den Schattenseiten der Gesellschaft, der sozialen Misere in den städtischen Elendsvierteln mit einer rapide steigenden Kriminalität, der Zerstörung der indianischen Kulturen (ohne diese zu beschönigen!), den ungelösten ökologischen Problemen als Kehrseite des grenzenlosen Konsumismus. Sehr anschaulich werden kulturelle und politische Eigenheiten wie der ungebrochene Hurra-Patriotismus (etwa im Zuge der Golfkriegseuphorie) oder die auf weite Strecken naive Religiösität (etwa in der Hingabe Abertausender an geldgierige Fernsehprediger und Wunderheiler) geschildert. In der Mischung aus profunder publizistischer Recherche und originellen, persönlichen Beobachtungen und Reflexionen vermittelt dieses "Amerika"-Buch Information und Lesevergnügen zugleich, wobei der durchaus selbstkritische europäische Blick auf die US-Gesellschaft auch als Warnung an ein EG-Europa gelesen werden kann, das sich anschickt, selbst zu einer großen Wirtschafts- und Militärmacht zu werden. Hans Holzinger
Haslinger, Josef: Das Elend Amerikas. Elf Versuche über ein gelobtes Land. Frankfurt/M.: S. Fischer, 1992. 160 S., DM 14,90 I sFr 12,70 I öS 116