1992 gedachte jener Teil der Welt, der sich nicht ohne ein gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung als der zivilisierte bezeichnet, der "Entdeckung" Amerikas. Was für uns Anlass ist, vom Beginn der Neuzeit zu sprechen, ist für die indigenen Völker des amerikanischen Kontinents Beginn von Verfolgung, Unterdrückung und Ausrottung, deren Ende nicht absehbar ist. Überwiegend österreichische Mitglieder der "Gesellschaft für 'bedrohte Völker", aber auch Vertreter der Betroffenen selbst kommen in diesem sorgfältig edierten und durch beeindruckende Stiche und Photographien angereicherten Band zu Wort. Er bietet Gelegenheit zur Korrektur eines nach wie vor verfälschten Geschichtsbildes und Optionen für die Zukunft. Teil 1 gibt Anlass zur Interpretation der europäischen Invasion Amerikas und schildert u.a. den Ablauf der Conquista. Teil 2 zeichnet in 12 Beiträgen die aktuelle Spur der blutigen Zerstörung nach, denen indianische Kulturen auch heute noch ausgesetzt sind, berichtet aber auch von Teilerfolgen des Widerstandes und der Suche nach den eigenen Wurzeln. Ob es das Engagement der Cree gegen die weitere Zerstörung der James Bay in Quebec ist, wo zwischen 1973 und 1991 das bislang größte Wasserkraftwerk der Welt gebaut wurde, und in einer zweiten Phase weitere 20000 km2 geflutet bzw. unwiederbringlich zerstört werden sollen; ob es der Kampf der Lakota um die Black Hills, der Einsatz der 120000 Seelen zählenden Suhar (im Staatsgebiet Equadors) oder das nach den jüngsten politischen Ereignissen in Brasilien kaum gesicherte Zugeständnis der Autonomie für die Yanomami ist: Dass im Namen des Fortschritts tagtäglich nicht nur Tier- und Pflanzenarten ausgerottet, sondern allen Menschenrechten zum Hohn auch Völker verfolgt und unterdrückt werden, ist Perversion unserer Geschichte, gegen die sich die Betroffenen zunehmend wehren. In British Columbia beispielsweise fordern die Vertreter der „first nations" das Recht auf eigenständige Erziehung und nützen moderne Technologien, um den in die Städte abgewanderten Generationen Sprache und Kultur ihrer Ahnen näherzubringen. "Zurück in die Zukunft" könnte auch eine Entdeckung bolivianischer Archäologen führen: Lange Zeit unerklärliche Erdformationen wurden als "erhöhte Felder" indentifiziert, die von den Aymara-Indianern angelegt wurden, weil sie das Gesicht der Mutter Erde nicht mit Gräben überziehen wollten. Während der durchschnittliche Ertrag an Kartoffeln im Hochland nur 2,5 t/ha beträgt, werden mit dem traditionellen Verfahren etwa 20 t/ha erwirtschaftet, genug um theoretisch selbst im kargen Hochland den Bedarf des gesamten Landes zu decken. "Perspektiven des Widerstandes" diskutiert Teil.3 in Form von Interviews und Dokumenten. Walter Spielmann
Unser Amerika. 500 Jahre indianischer Widerstand. Hrsg. v. der Gesellschaft für bedrohte Völker. Red.: Johann Bogenreiter ... Wien: Verlag Jugend und Volk, 1992. 255 S. DM 44,60 I sFr 37,80/ öS 348