David Christian

Big History

Ausgabe: 2019 | 2
Big History

Der Ansatz der „Big History“, wie ihn David Christian verfolgt, lautet folgendermaßen: „Wenn man die Geschichte der Menschheit lehren möchte, muss man die Geschichte von allem lehren.“ (S. 8) Deshalb hat sich die Geschichte unserer Welt in eine Geschichte des Universums verwandelt. Sein Buch beginnt deswegen beim Urknall und endet nicht in der Gegenwart. Die Entstehung des Lebens findet erst auf Seite 87 von 342 statt, und das ist proportional natürlich trotzdem sehr früh. Christian zeigt uns die wichtigsten Erkenntnisse, die wir heute über unsere Geschichte haben. Er unterscheidet die Entwicklung nach Epochen, zu deren Beginn jeweils eine Schwelle überschritten wurde. Diese Epochen sind (1) der Anfang, die ersten Sterne (2) und neuen Elemente (3), die Bildung von Molekülen und Monden (4), die Entstehung des Lebens (5), die Menschen (6), die Landwirtschaft (7) und das Anthropozän (8). Das Buch versteigt sich nicht in überraschende neue Hypothesen, sondern liefert, was es verspricht, nämlich Klarheit über den Stand der Erforschung des großen Ganzen.

Dieser Blick auf das Ganze führt auch dazu, dass große Linien besser herausgearbeitet werden können, als wenn man auf die jüngere Geschichte fokussiert. Naturwissenschaftliche und anthropologische Konstanten sind präsenter bei unseren Versuchen, Phänomene zu erklären. Und besonders spannend ist das Buch, wenn Christian diese großen Linien und Erkenntnisse in Anschlag bringt, um etwas über die Zukunft zu sagen. „Wohin führt das alles?“, fragt er ab Seite 321. „Seltsamerweise gibt es nur wenige moderne Bildungssysteme, die der Zukunft viel Platz in ihren Curricula einräumen. Diese Vernachlässigung ist überraschend, weil alle Organismen mit Gehirnen über die Zukunft nachdenken und weil wir Menschen den anderen Tierarten darin überlegen sind. Egal, ob es sich um Gehirne von Menschen oder Schimpansen handelt, sie fertigen alle vereinfachte Modelle der Welt in ihrem jeweils gegenwärtigen Zustand an. Außerdem aber auch Modelle, die ihnen sagen, wie die Welt sich verändern könnte.“ (S. 321)

Drei Zeitskalen beim Denken über die Zukunft

Christian unterscheidet bei seinem Denken über die Zukunft zwischen drei Zeitskalen. Der menschlichen, der kosmologischen und der Zeit-skala dazwischen, die eintausend Jahre umfasst. Merkwürdigerweise lässt sich diese Zwischenskala am schwierigsten modellieren. Kosmologische Vorhersagen, wie beispielsweise das Erlöschen der Sonne, sind ziemlich sicher berechenbar, kurzfristig, über einhundert Jahre beispielsweise, erlaubt uns die Langsamkeit der Evolution doch, ein paar Annahmen zu treffen – immerhin. Mittelfristig können wir jedoch kaum an etwas denken, das für uns ein sicherer Anhaltspunkt wäre. Man vergesse auch nicht, dass wir aus der Quantenphysik leider erfahren mussten, dass das Universum bei kürzesten Abständen nicht mehr deterministisch ist, was leider die Tür öffnet, für etwas, das gerne „Zufall“ genannt wird.

Christian konzertiert sich demzufolge auf die kommenden 100 Jahre. Hier stellt er die Nachhaltigkeitscharta der Vereinten Nationen und das Pariser Klimaschutzabkommen in den Mittelpunkt. Eindeutig ist für ihn, dass wir uns die Frage stellen müssen, ob wir bereit sind zu mehr Umverteilung und geringerem Wirtschaftswachstum, um die Kohlendioxidemissionen zu senken. (vgl. S. 329) Christian spricht von einem „reifen Anthropozän“ als Ziel.