Bewältigung von Flüchtlingsproblemen in Österreich

Ausgabe: 1992 | 1

„In einer Zeit, in der in den reichsten Ländern der Erde Asylantenheime in Brand gesteckt oder Angehörige anderer Kulturen auf offener Straße niedergeschlagen werden, und in der sich Volksvertreter nicht scheuen, mit fremdenfeindlichen Parolen Stimmen zu ködern, sollte diese Publikation ein Anlass zum Überdenken bestimmter Positionen sein", meinen die Herausgeber. Was beim flüchtigen Durchblättern als trockene Analyse geltender Rechtsnormen in der Behandlung von Flüchtlingen erscheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als "heißes Eisen". Das Buch ist Produkt eines Seminars an der Universität Salzburg, in dem Rechts-, Wirtschafts-, Geistes- und Naturwissenschaftler versuchten, sich der Flüchtlingsproblematik fachübergreifend zu nähern. Dazu gehörten auch, ungewöhnlich für wissenschaftliche Betrachtungen, Besuche im Lager Traiskirchen oder im Transitraum des Wiener Flughafens. Seminar-Ergebnis: "Eine eklatante Disparität zwischen Recht aus dem Blickwinkel Österreichs und Unrecht aus dem Erleben der Flüchtlinge". Abschottungstendenzen Flüchtlingen gegenüber gibt es allerorten. Die Zahlen sprechen zumindest für sich. 100000 „einreisewilliqe Menschen" wurden 1990 allein an Österreichs Grenzen zurückgewiesen. Lediglich 22789 Asylanträge wurden tatsächlich entgegengenommen, ganze 864 davon positiv erledigt. Mit Nachdruck weisen die Autoren auf die Tendenz hin, Asylsuchende in wenige "echte" und viele Wirtschaftsflüchtlinge zu unterteilen, die damit schnell zu Sozialschmarotzern abgestempelt werden. Das geschieht nicht ohne Hintergedanken: Die Gesetzgebung behandelt Flüchtlinge gerne "nicht im Hinblick auf ihre Menschenrechte, sondern auf die von ihnen hervorgerufene finanzielle Belastung Österreichs".   Den humanitären Rahmen, so die Kritik, steckt das Budget ab - mit unabsehbaren Folgen für die Betroffenen. Wer voreilig abgeschoben wird, riskiert zu Hause sein Leben. "Gäbe es ein dem österreichischen Strafrecht entsprechend ausdifferenziertes völkerrechtliches Strafrecht", würden nicht wenige Beamte "in den Verdacht der Beihilfe zu Mord oder schwerer Körperverletzung geraten". Kein Buch für jedermann, aber in seiner differenzierten Kritik eine wertvolle Ergänzung für die oft fahrlässig vereinfachende Diskussion über "die Ausländer". P.A

Flucht - Asyl - Migration. Die rechtliche und faktische Bewältigung von Flüchtlingsproblemen in Österreich und im internationalen Vergleich: Flüchtlingsbegriff, Sichtvermerkserteilung, Zurückweisung an der Grenze, Abschiebung, Integration. Hrsg. v. Michael Geistlinger ... Regensburg: Transfer-Verl., 1991. (Schriftenreihe des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg; 6) DM 58,- / sFr 49,10 / öS  452,-