Ist es in Anbetracht der Rasanz, mit welcher scheinbar alle maßgeblichen Kräfte auf ein vereinigtes Deutschland nach bundesrepublikanischem Muster hinsteuern, schon überholt, Perspektiven eines "anderen Deutschland" zu diskutieren? Das zu Ende des vergangenen Jahres von Mitgliedern der SED/PDS im Rahmen eines Forschungsprojekts "Sozialismustheorie an der Humboldt-Universität erarbeitete" Umbaupapier" gibt eine klare Antwort: Es geht darum - so betonen die beteiligten Philosophen, Ökonomen und Staatsrechtier - eine" Langzeitstrategie für eine neue, sozial und ökologisch progressive Lebensweise" zu entwickeln Sie sollte "weniger extensiv Ressourcen beanspruchen und mehr Raum für freie und universelle Entwicklung der Individuen schaffen." Ziel eines tatsächlich demokratischen Sozialismus sei es, die Vorherrschaft politisch-ökonomischer Rationalität zu durchbrechen und die freie Entwicklung des Menschen in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Evolution zu stellen. Eine" Politik der offenen Tür" sollte beiden Seiten Gelegenheit geben, auf einander zuzugehen, Freiräume schaffen und verhindern hindern, dass die DDR bei niedrigem Einkommensniveau, unerfahrenen Gewerkschaften und kaum vorhandener öffentlicher Kontrolle der Wirtschaft nichts weiter als ein „Traumland des Kapitals" wird. Nicht nur der Vorschlag, in den Betrieben einen Wirtschafts- und Sozialrat einzurichten, in dem Arbeiter-, Konsumenten und Ökologieinteressen neben ökonomischen Aspekten eingebracht werden könnten, verdient Beachtung. Ist das Papier auch noch der Rhetorik "marxistischleninistischer Sklavensprache" (die Herausgeber) verpflichtet, so sollte es aufgegriffen und über Systemgrenzen hinweg produktiv diskutiert werden.
Das Umbaupapier (DDR). Argumente gegen die Wiedervereinigung. Hrsg. v. Rainer Land. Berlin: RotbuchVerl., 1990. 189S., DM 15,-/sFrI3,30/öS 117