Arbeit der Zukunft

Ausgabe: 1996 | 3

Drei bis vier Mio. Menschen sind derzeit in der BRD als arbeitslos gemeldet, insgesamt sind es - so Schätzungen - über sechs Mio., die Arbeit suchen. Über eine Mio. davon drohen als Dauerarbeitslose gänzlich aus dem Erwerbsleben hinauszufallen. Zweifellos eine alarmierende Situation, hinter der sich nicht nur viele Einzelschicksale verbergen, sondern die auch die öffentlichen Kassen enorm belastet - ein Arbeitsloser "kostet" im Jahr an die 34.000 DM - und damit die Funktionstüchtigkeit des Staates insgesamt auf eine schwere Probe stellt. Der Handlungsbedarf ist groß. Der vorliegende Band macht deutlich, daß die Gewerkschaften dies erkannt haben. Priorität hat nach wie vor die Forderung nach weiteren Arbeitszeitverkürzungen - laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wurden durch den Rückgang der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit seit 1985 um knapp 3 Stunden eine Mio. Arbeitsplätze geschaffen, durch die Reduzierung um weitere 3 Stunden bis zum Jahr 2000 könnte für zusätzliche 1,7 Mio. Menschen ein Zugang zum Erwerbsleben gesichert werden. Doch auch lange Zeit tabuisierte Maßnahmen wie der Abbau von Überstunden (für Zeitausgleich) sowie die Forcierung von Teilzeitmodellen (mit sozialen Absicherungen) finden nun Zuspruch. Kombinationen von Teilzeitarbeit und reduziertem Arbeitslosengeld, Sabbatjahre zur Weiterbildung oder Lohnsubventionen für Beschäftigung   schaffende Betriebe werden als Beispiele "zukunftsgerechter Arbeitsmarktpolitik" propagiert, zudem mögliche neue Arbeitsfelder in der Informations- sowie der Freizeitgesellschaft analysiert. Doch all diese Reformschritte können die sich enorm beschleunigenden Produktivitätssteigerungen bei (in vielen Branchen) sinkenden Nachfragen (so erzeugt derzeit ein Arbeiter im Schnitt 14 Autos pro Jahr, im Jahr 2000 werden es 22 sein!) das Ziel neuer Vollbeschäftigung nicht erreichen. Manfred Tessaring von der Bundesanstalt für Arbeit rechnet selbst für das Jahr 2000 mit 3,5 Mio. Arbeitssuchenden in der BRD. Angesichts dieser Perspektiven provozierend und vielleicht doch die neue Richtung weisend nehmen sich die den Rahmen der übrigen Beiträge sprengenden Ausführungen von Friedrich Schmidt-Bleek und Willy Bierter aus. Ihre Vorstellungen von einer “Pluralen Ökonomie", die nicht einseitig auf den Weltmarkt orientiert ist, sondern "die Orte einbezieht, wo die Menschen leben" - durch Handwerksbetriebe, die für den regionalen Bedarf produzieren, durch bezahlte wie nicht bezahlte Nachbarschaftsdienstleistungen, "die den Menschen das Gefühl der sozialen Nützlichkeit geben" - werden den Gewerkschaften wohl noch etwas fremd anmuten. Um so mehr zählt, daß sie in diesem Band Platz gefunden haben. H. H.

Arbeit der Zukunft. Hrsg. v. Dieter Schulte. Köln: Bund-Verl., 1996.245 S. (Beiträge zur Reformdiskussion im Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Gewerkschaften; 5).