Sara Schurmann

Klartext Klima!

Ausgabe: 2023 | 1
Klartext Klima!

Sara Schurmann wusste als Journalistin vom Klimawandel, doch – so schreibt sie in ihrem Buch „Klartext Klima!“ – das ganze Ausmaß der Klimakrise sei ihr erst im Sommer 2020 aufgrund der Hochwasser in Deutschland bewusst geworden. So zieht sich als Grundthese durch ihr Buch die Überzeugung, dass zwar mittlerweile kaum noch jemand den menschengemachten Klimawandel leugnet, dieser aber nicht in seiner Tragweite erkannt und ernst genommen wird. Darauf verweist der Titel des Buches. In Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und auch in den Medien würde zwar über die Klimakrise gesprochen, jedoch wenig getan. Schurmanns immer wiederkehrende Botschaft: „Solange die planetaren Krisen gesellschaftlich unterschätzt werden, werden auch die Maßnahmen, mit denen wir zu reagieren bereit sind, zu klein ausfallen, um die Erderhitzung und das Artensterben effektiv zu bremsen.“ (S. 9)

Die Autorin begann, sich näher mit der Klimakrise zu befassen, führte Interviews mit Expert:innen der Klimaforschung, besuchte einschlägige Veranstaltungen und gründete dann 2021 mit Kolleg:inen das „Netzwerk Klimajournalismus Deutschland“. Das Ziel: die Verantwortung des Journalismus zur Aufklärung über die Folgen der Klimakrise und die zeitliche Brisanz der Notwendigkeit eines Kurswechsels einzumahnen. Es werde zwar mittlerweile viel über den Klimawandel berichtet, aber nur als ein Thema unter vielen, so einer der Kritikpunkte von Schurmann. Die Zusammenhänge mit unserer Art des Wirtschaftens und Lebens würden kaum gesehen. Nach dem Prinzip: Klimaberichte auf der Umweltseite, Klagen über zu geringes Wachstum auf der Wirtschaftsseite. Ein weiteres Problem sieht die Autorin im Pochen auf Objektivität, die alle Seiten zu Wort kommen lassen müsse. Doch die wissenschaftlichen Fakten seien evident und nicht zu relativieren.

Über den Status quo, Versäumnisse und Handlungsoptionen

Ihr Buch beginnt Schurmann folgerichtig mit einer Bestandsaufnahme: Sie beschreibt „11 Fakten über die Klimakrise“ sowie den Tatbestand, dass derzeit keine Regierung ernsthaft versucht, das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. Die Reaktionen auf die aktuelle Energiekrise mit dem Hochfahren alter Kohlekraftwerke und dem Umschwenken auf ökologisch desaströses Schiefergas bestätigen einmal mehr ihre Kritik. Die Autorin argumentiert hier auch juristisch: „Vorschriften, die jetzt CO2-Emissionen zulassen, begründen eine unumkehrbar angelegte rechtliche Gefährdung künftiger Freiheit.“ (S. 55) Im zweiten Kapitel „Wie konnten wir hier landen?“ geht es um die Macht der Lobbys, unser aller Verdrängen sowie eben um die Verantwortung bzw. Versäumnisse der Medien. Als „Discourses of Delay“ macht die Autorin Verzögerungsdilemmata aus wie die „Trittbrettfahrer“-Ausrede, das Zeigen auf andere, etwa China, das Stehen-Bleiben bei viel zu schwachen Maßnahmen und das Setzen auf „Brückentechnologie“ sowie das Verweisen auf soziale Probleme von Klimaschutzmaßnahmen.

Im dritten Abschnitt skizziert Schurmann, was die bisherigen Versäumnisse für unser Handeln bedeuten. Sie bestärkt einmal mehr, dass die planetaren Krisen alles und jede:n treffen werden, dass jeder Schritt in die richtige Richtung zählt („Retten, was zu retten ist“) und dass uns technische Lösungen allein nicht helfen werden. Es sei notwendig, dass wir Grenzen akzeptieren lernen und im Sinne von „Multisolving“ (S. 42) die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen in den Mittelpunkt stellen, etwa „gute Luft“, lärmfreie Städte, mehr Zeit für Muße. Im Schlusskapitel „Was können wir tun?“ fordert die Autorin – wie andere auch – „massive strukturelle Transformationen“ (S. 163), es gehe darum, alles umzukrempeln und das sofort – durch eine Ernährungs,- Mobilitäts- und Energiewende sowie die Abkehr vom Wachstumsparadigma.

„Sprecht darüber. Und redet Klartext“

Schurmann spricht uns im gesamten Text immer persönlich an. Im Schlusskapitel tut sie das nochmals explizit. Sie macht in „1000 Wege, die Welt zu retten“ keine Vorschläge für einen ökologischen Lebensstil, sondern plädiert für gemeinsames Aktiv-Werden. „Sprecht darüber. Und redet Klartext“ (S. 199), „Vernetzt euch mit anderen“ (S. 200), „Seid solidarisch“ (S. 202) und „Seid gut zu euch. Und habt Spaß dabei“ (S. 204) – so die Appelle der Journalistin.

In Bezug auf die Klimakrise sieht Schurmann drei Gruppen. Jene, die die globale Erwärmung „noch immer für eine relativ ferne und abstrakte Bedrohung halten“, jene, die sich zwar Sorgen machen, aber immer noch denken, „dass es frühestens ihre Urenkel:innen wirklich schlimm treffen werde“. Schließlich jene noch viel zu kleine Gruppe, die weiß, „dass die Klimakrise sehr konkret und akut ihre eigenen Lebensgrundlagen bedroht“ und die es schafft, „diesen Gedanken nicht immer wieder sofort zu verdrängen“ (51f.).Sie selbst zählt sich hier dazu und mit ihrem Buch möchte die Autorin erreichen, dass immer mehr Menschen, insbesondere auch in Entscheidungspositionen, lernen, diese emotionale Betroffenheit zuzulassen.