Wissenschaftstransfer in Deutschland

Ausgabe: 1993 | 2

Das vorherrschende, wenngleich sich in der Praxis unterschiedlich vollziehende Verständnis von Wissenschaftstransfer, wonach es - cum grano salis - um die wechselseitige Vermittlung von (universitärer) Forschung und gesellschaftlich relevantem Wissen geht, ist nur am Rande Thema dieses Bandes. Vielmehr wird ein brisanter Teil der jüngsten deutschen Geschichtevielfach unter dem Terminus "Abwicklung" präsentunter Einbeziehung der Erfahrung Betroffener aus Ost und West zusammengefaßt. Im einleitenden Abschnitt ("Ausgangslage und Problemskizzen") kommt der Leipziger Historiker Matthias Middell zu der Überzeugung, daß "die Beschlüsse zur Abwicklung auf der Grundlage von Vermutungen über die ideologische Nähe von Fächern zum alten System und der künftigen Entbehrlichkeit ihrer Vertreter erfolgte", womit "das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit erschüttert" sei. Der Beitrag des Herausgebers sucht den Nachweis zu erbringen, "daß mit der Wissenschaft der DDR kein Fremdkörper zu integrieren ist, sondern eine mäßig bis fundamental defizitäre Wissenschaftspraxis ", und daß die" Konstellation für eine wirkliche Integration miserabel" ist, verlangt sie doch von allen Seiten, "über lange eigene Schatten zu springen". Im gewichtigsten Beitrag des Bandes schildert Andreas Osterhaus Struktur und Ausmaß des Sonderprogramms des DAAD. Dabei kommt er auch auf die Eigenheiten der Studierenden aus der ehemaligen DDR wie mangelnde Kritikfähigkeit, Lerneifer, Sprachkenntnisse zu sprechen. Der umfassendste Abschnitt ist „Gasterfahrungen konkret" vorbehalten. U.a. gibt der Jurist Carsten P. Claussen Einblick in seine Erlebnisse als "Spagat-Professor", Heinz Hartmann schildert die Rolle des "Fremden als Komplizen" und zeigt mit Verweis auf die Freiheit der Forschung, daß "auch die westliche Wissenschaft systemkonformen Einflüssen unterliegt". Die vereinzelt persönlich gefärbten und durchaus auch humorvollen Beiträge - die Zunft der Soziologen tut sich ja mit einer allgemeinverständlichen Sprache recht schwer - werden von Gastgeberimpressionen und umfangreichen Materialien (einschlägige Passagen des Einigungsvertrages, Vorschläge des Wissenschaftsrats, Empfehlungen der Kultusministerkonferenz ... ) ergänzt, so daß dieser Band eine wohl unentbehrliche Quelle für all jene darstellen dürfte, die sich ausführlich mit dem Thema auseinandersetzen wollen. W Sp.

Wissenschaftstransfer in Deutschland. Erfahrungen und Perspektiven bei der Integration der gesamtdeutschen Hochschullandschaft. Hrsg. v. Bernhard Muszynski. Opladen: Leske + Budrich, 1993. 379 S., DM 39,- / sFr 33,- / öS 304,20