Elisabeth Kolbert

Wir Klimawandler

Ausgabe: 2022 | 1
Wir Klimawandler

Elizabeth Kolbert ist Journalistin und arbeitet heute für den New Yorker. Ihr 2014 erschienenes Buch The Sixth Extinction handelt vom neuen menschengemachten Artensterben und wurde breit rezipiert.  Ihr neues Buch Under a White Sky bzw. Wir Klimawandler widmet sich den Eingriffen des Menschen in die Natur, um diese zu bändigen. Wir verändern den Planeten in einer erdgeschichtlich gesehen atemberaubenden Geschwindigkeit. Soweit bekannt. Doch Kolbert geht es um mehr: In seinem Bemühen, die Natur zu bändigen, erzeugt der Mensch immer neue Probleme. „Es geht weniger um die Beherrschung der Natur als um die Kontrolle der Naturbeherrschung“ (S. 18).

Versuche der Naturbeherrschung

In drei Abschnitten widmet sich Kolbert den Problemen, die aus dem Versuch der Naturbeherrschung entstehen. In „Flußabwärts“ werden Beispiele der Regulierung und Umleitung von Flüssen mit deren unbeabsichtigten Nebenfolgen geschildert – im Militärjargon würde man von Kollateralschäden sprechen. Die Autorin nimmt uns auf eine Schifffahrt am Chicago Sanitary and Ship Canal mit, der Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Ziel errichtet wurde, die Abwässer vom Lake Michigan fernzuhalten. Mit der Umkehrung der Fließrichtung des Chicago River sei der Wasserhaushalt „von zwei Dritteln der Vereinigten Staaten drastisch verändert“ worden (S. 15). Ein weiteres Kapitel widmet Kolbert dem Flusssystem des Mississippi um New Orleans. Mit immer höheren Deichen sollte die Überflutung der Stadt aufgehalten werden. Die Folge: „Mit dem Ende der Überflutungen war es aber auch vorbei mit der Ablagerung der Sedimente.“ (S. 58) Fruchtbares Land ging verloren. Nun arbeitet man mit Milliardenaufwendungen an neuen Deichdurchlässen.

Mit „In die Wildnis“ greift die Autorin das Thema ihres ersten Buches über das Artensterben auf. Sie schildert die immer länger werdende Liste der bedrohten Arten und datiert auch hier den Anfang ins 19. Jahrhundert: „Hatte sich der Verlust von Tierarten früher allmählich vollzogen – so allmählich, dass die Beteiligten nicht einmal merkten, was vor sich ging –, verwandelten neue Technologien wie die Eisenbahn und das Repetiergewehr das Artensterben in ein mühelos beobachtbares Phänomen.“ (S. 87)

Im dritten Abschnitt „In die Luft“ geht es schließlich, wie der Buchtitel ankündigt, um die Versuche, die Klimaerwärmung durch technische Eingriffe zu bändigen. Kolbert besucht junge Unternehmen wie Climeworks, das daran arbeitet, Kohlendoxid in Basaltgestein zu binden „(versteinertes Treibhausgas“, S. 161) oder das Center for Negative Carbon Emissions an der Arizona State University, an dem Kohlendioxid bindende Granulate entwickelt werden. Anstatt CO2 zu verteufeln, sollten wir es wie Abwasser behandeln und filtern, zitiert die Autorin den am Institut arbeitenden Physiker Klaus Lackner. Kolbert widmet sich in der Folge auch verschiedenen Technologien, die CO2-Abscheidung und -Speicherung mit der Erzeugung von Bioenergie verbinden. Aus der CO2 bindenden Biomasse wird Energie erzeugt, das dabei freigesetzte Kohlendioxid in der Folge unterirdisch gespeichert. Eine erste Pilotanlage, die mit Pellets befeuert wird, befindet sich in Nordengland.

Die Herausforderung all dieser Technologien sei die Größenordnung, resümiert Kolbert. So brauche man drei Milliarden Tonnen Basalt, welches abgebaut, zerkleinert und ausgetragen werden müsste, um eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid zu binden. Ihre Schlussfolgerung: „Kohlendioxidentnahme aus der Atmosphäre mag wichtig sein und ist schon jetzt in die Berechnungen des Weltklimarates eingeflossen. Gegenwärtig ist sie jedoch nicht wirtschaftlich umsetzbar.“ (S. 181) Nicht nur teuer, sondern auch riskant sind jene Technologien, die unter Solar-Geoengineering zusammengefasst werden. Der Grundgedanke dabei: „Wenn Vulkane die Erde abkühlen lassen können, kann der Mensch das ebenfalls.“ (S. 185) Mittels Substraten, etwa Schwefeldioxid, die in die Atmosphäre gesprüht werden, soll die Sonnenstrahlung verringert werden. Um mit der Erderwärmung Schritt zu halten, müssten jedoch immer größere Materialmengen in die Stratosphäre geblasen werden, ein bedenkliches Unterfangen.

Argumente für Geoingeneering

Kolbert zitiert frühere Spekulationen, das Klima zu verändern, um fruchtbares Land zu gewinnen. Und sie bringt die Argumente jener, die heute für Geoengineering eintreten – allesamt wohlmeinend und in guter Absicht vorgetragen. Das moralische Risiko solcher Experimente wird dabei gegen die Risiken der Klimaerwärmung abgewogen. Die Journalistin selbst bleibt aber skeptisch. Behandelt würden lediglich die Symptome der Erderwärmung, nicht deren Ursachen. Im Vergleich mit Heroinabhängigen, die mit Amphetaminen ruhiggestellt werden: „Das Endergebnis ist die Abhängigkeit von zwei Drogen statt von einer.“ (S. 197)

Ein in Summe informatives Buch. Am journalistische Erzählstil darf man sich indes nicht stören.