Das von Armutskonferenz, Attac und Beigewum herausgegebene Buch Klimasoziale Politik beginnt mit der Beschreibung einer Welt, welche auf eine lebenswerte und vor allem gerechte Zukunft hoffen lässt. Der Begriff der Utopie wird hier bewusst vermieden, denn: „Jahrzehntelang wurden unter einer neoliberalen Politik soziale Errungenschaften abgebaut und Umwelt-, Klima- und Sozialpolitik als Bürde behandelt. Vorschläge, die das Leben aller verbessern und die Umwelt schützen, wurden als Utopien diskreditiert.“ (S. 6) Was aber macht eine realisierbare klimasoziale Politik aus? Sie ermöglicht eine Gesellschaft, „in der alle ein selbstbestimmtes Leben führen können“ (S. 7), schafft ein menschenwürdiges Leben für alle und sucht nach breiten Bündnissen, um sowohl die soziale wie auch die Klimakrise zu überwinden. Dabei wird die Klimakrise als oft verstärkender Teil der sozialen Krise angesehen, wobei sich die sozialen Verwerfungen nicht auf Nationen beschränken, sondern sich von der Kleinfamilie (familiäre Gewalt) bis hin zu Fragen der globalen Gerechtigkeit ausdehnen.
Klimapolitik in Österreich
Der erste Abschnitt des Buches widmet sich der Klimakrise in Österreich, einleitend mit der historischen Entwicklung und aktuellen Herausforderungen von Klimaaktivist:innen, geht das Buch über zum Kapitel „Klimapolitik auf Österreichisch: Ja, aber …“ (S. 31). Kritisiert wird dabei, dass die fehlende Festschreibung von Klimapolitik als eigenen Politikbereich, die gegenwärtige schwache institutionelle Verankerung bedingt. Hinzu kommt, dass Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen viele Sektoren betreffen, was umfassende und bereichsübergreifende Schritte erfordert, wodurch effizientes politisches Handeln ebenso erschwert wird wie durch die Herausforderungen des föderalen Systems. Jahrelange Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sowie das Ausbleiben von Konsequenzen bei verfehlten Zielen führten schlussendlich zu zahnlosen Klimastrategien und Gesetzen wie dem Klimaschutzgesetz von 2011. Hinzu kommt das Gewicht von Sozialpartnern und anderen Interessensvertretungen, welche sich – aller ideologischen Differenzen zum Trotz – beim Schutz von Arbeitsplätzen und der Wettbewerbsfähigkeit geeint als Bremser einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik wiederfinden. Doch um „Klimaneutralität zu erzielen, muss jedes Ressort zum Akteur in der Klimapolitik werden. Dem Sozialstaat kommt dabei eine besondere Rolle zu, da er die Gesellschaft strukturiert und das Verhalten der Menschen lenkt.“ (S. 72) Katharina Bohnenberger und Jana Schultheiß sehen im Sozialstaat, welcher sich am Prinzip der Suffizienz orientiert, einen wesentlichen Treiber der Transformation. Ähnlich der Festlegung von Mindeststandards bei der Sozialhilfe, könne es auch Obergrenzen geben, welche Überreichtum verhindern. Denn die extrem ungleiche Verteilung von Vermögen „verursacht neben sozialen und demokratischen auch ökologische Probleme.“ (S.74) Werden ergänzend dazu Sozialleistungen sowie Investitionen in öffentliche Infrastruktur klug eingesetzt, kann es gelingen, gerechte und klimaneutrale Lebenschancen für alle in Österreich lebenden Menschen zu garantieren.
Chancen klimasozialer Maximen
Der zweite Abschnitt des Buches zeigt auf, was eine klimasoziale Gesellschaft ausmacht und bespricht darin die Themen Geschlechtergerechtigkeit, Migration, Armut, Wohnen, Mobilität, Pflege Lohnarbeit, Budget- und Steuerpolitik sowie Industrie, Handel, Rohstoffe und das Finanzsystem. Am Beispiel des Gesundheitssystems wird veranschaulicht, wie soziale Verwerfungen anhand einer klimasozialen Politik nachhaltig beendet werden könnten. So sterben Männer, die maximal einen Pflichtschulabschluss besitzen, im Schnitt um 16 Jahre früher als jene in der höchsten Bildungsstufe. Die Gründe hierfür sind in den Bereichen Ernährung, Wohnort (Feinstaub, Lärm, Hitze) und der medizinischen Behandlung zu finden: „Bei der Gesundheit merke ich, dass du ein bisschen zurückgestellt wirst, wenn du arm bist (Stefan, armutsbetroffener Pensionist, Linz).“ (S. 130) Mittels einer Verbesserung der aktiven Mobilität (mehr Radwege, Ausbau Öffis, strikte Parkraumbewirtschaftung) und einem elektrifiziertem Individualverkehr könnten 77 Sterbefälle pro 1000 Einwohner:innen (S. 137) verhindert werden. Würde zusätzlich auch das Gesundheitssystem umschwenken und mehr Fokus auf die wenig gewinnbringende Prävention und Gesundheitskompetenz setzen, könnten die Lebensbedingungen vieler verbessert werden.
Wie es die Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromb-Kolb in ihrem Nachwort ausdrückt, hilft das Buch Gedanken einzuordnen und Argumente für die Machbarkeit einer nachhaltigen Transformation zu formulieren.