Wider die ökologischen Defizite der Rechtsordnung

Ausgabe: 1993 | 1

Die "Altlast Recht" den Müllhalden der Geschichte zu überantworten, kann teuer zu stehen kommen. Soll in unserer Gesellschaft, die mit dem Grundrecht auf Eigentum und Freiheit die "materielle Wohlstandsbeschaffung und Wohlstandsverteilung mehr und mehr zum real existierenden Staatsziel " erklärt hat, das gleichfalls festgeschriebene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht vollends zur Schimäre verkommen, ist Handlungsbedarf gegeben. Der Autor - u.a. mit einer Professur für Politikwissenschaft und Rechtstheorie an der Universität München betraut und mehrfach als ebenso kompetenter wie überzeugend formulierender Verfechter zukunftsorientierter Bewußtseinsbildung in Erscheinung getreten - skizziert eingangs normative, exekutive und kognitive Defizite einer Ökologisierung der Gesetze: U.a. werden das Verwirrspiel um Störer und Verursacher, die Relativierung der Rechtssprechung durch "unbestimmte Rechtsbegriffe" oder die Schutznormtheorie (die umweltorientierte Anliegen überwiegend nur als Aufgabe des öffentlichen Interesses gelten läßt) als Hemmnisse genannt; hinzu kommen das Vollzugs- und Kontrolldefizit der bestehenden Gesetze und die überwiegend an der Beibehaltung des Status quo ausgerichtete Einstellung des Vollzugspersonals. Mit Blick auf die Verfassung kommt Mayer-Tasch zu der Auffassung, daß eine ökologische Staatszielbestimmung gegenüber einem Umweltgrundrecht derzeit zu bevorzugen sei, weil letzteres aufgrund seiner Eigendynamik "nicht mit hinreichender Aussicht auf Erfolg einklagbar wäre". Der Tatsache, daß "die Janusköpfigkeit des sozialen Rechtsstaats ... im Zeichen der ökologischen Krise ständig in Gefahr steht, über ihre eigenen Füße zu stolpern", und nicht zuletzt auch die nationalstaatliche Ordnung dazu führt, daß wir allesamt "souverän in die Katastrophe steuern", sind weitere überzeugende Überlegungen gewidmet. Ohne freilich zu Gewalt aufzufordern, setzt sich der Verfasser angesichts des umfassenden und auf absehbare Zeit wohl wachsenden ökologischen Notstandes wohlwollend mit dem Recht auf Widerstand auseinander, das nach der deutschen Verfassung gegen jeden möglich ist, "der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen ..., soweit andere Abhilfe nicht möglich ist". Nicht zuletzt könne bürgerlicher Ungehorsam mit dazu beitragen, daß wir den längst fälligen "geordneten   Rückzug auf eine das Menschenmaß nicht so grotesk übersteigende zivilisatorische Option" antreten. WSp.

Zum Thema vgl. auch: Die Natur ins Recht setzen. Ansätze für eine neue Gemeinschaft allen Lebens. Hrsg. v. Manuel Schneider ... Karlsruhe: Müller, 1992. 283 S. (Alternative Konzepte; 82). Im ersten Teil enthält dieser Band Grundsatzüberlegungen namhafter Experten u. a. aus bioethischer, juristischer und theologischer Sicht; Teil zwei bietet Fallstudien aus konkreten Handlungsfeldern wie Tierhaltung u. a. Aktuelle Überlegungen zur Reform der österr. Bundesverfassung aus ökologischer Perspektive erörtern Peter Pernthaler; Karl Weber u. Norbert Wimmer: Umweltpolitik durch Recht: Rechtliche Strategien zur Umsetzung des Umweltmanifests. Hrsg. v. BM f. Umwelt, Jugend u. Familie. Wien: Manz, 1992. 167 S.

 

Mayer-Tasch, P. C;. Altlast Recht. Wider die ökologischen Defizite der Rechtsordnung. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verl., 1992. 119 S. (Fischer alternativ; 70949) DM 72,90/ sFr 70,90/ öS 101,