Politische Ökologie (Hg.)

Resiliente Zukünfte

Online Special
Resiliente Zukünfte

„Das Problem ist, dass sich zu viele von uns von der Natur abgekoppelt zu haben scheinen und vergessen haben, dass unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften grundlegend mit dem Planeten verbunden sind. Resilienz ist daher ein Versuch, ein neues Verständnis dafür zu schaffen, wie Mensch und Natur inmitten des Wandels interagieren, sich anpassen und gegenseitig beeinflussen.“ Damit wird in diesem Band der Politischen Ökologie das Stockholm Resilience Institute zitiert (S. 14) Felix Beer und Stephan Rammler vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), dem Partner dieser Ausgabe, plädieren für neue Ansätze der Risikoanalyse, des Risikodiskurses und der Zukunftsprospektion: „Krisen sind heute und in Zukunft kein Ausnahmezustand, sondern stete Begleiter in einer Welt, die durch disruptiven wie stetigen Wandel gekennzeichnet sind.“ (S. 18) Und weitergehend: „Die tiefe Akzeptanz von gesellschaftlicher Verletzlichkeit und das Einüben eines klugen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umgangs mit Störereignissen werden zusammen mit der Nachhaltigkeitstransformation als zentral für die Gestaltung von Zukunftsfähigkeit verstanden.“ (S. 19)

In dem Band werden die unterschiedlichen Ansätze von Resilienz wie Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Transformationsfähigkeit ebenso beschrieben wie einzelne Handlungsfelder. Stefanie Graefe warnt vor einer inflationären Strapazierung des Resilienz-Begriffs als „Allheilmittel in der Vielfachkrise“, als „rettenden ideellen Fluchtpunkt“ oder als „Normalisierung der Katastrophe“ (S.28ff). Grundsätze wie Demokratie, Gleichheit oder Klimagerechtigkeit dürften nicht gegenüber der „Verhinderung von (noch) Schlimmerem in den Hintergrund treten“ (S. 31). Siegfried Behrendt et al verweisen auf die Unsicherheiten von Vulnerabilitätsanalysen, wodurch Vorsorge und Resilienz immer „unter Vorbehalt“ stünden (S. 37). Harald Welzer plädiert für „das Konzept des Aufhörens statt für das Prinzip Systemoptimierung“ (S. 41) und für das Brückenschlagen zur Wirtschaft: „Diejenigen, die die Zeichen der Zeit verstanden haben, dürfen nicht länger im Umweltministerium sitzen, sondern müssen ins Wirtschafts- und Finanzministerium gehen.“ (S. 42) Klimaschutz erfordere immer eine Balance zwischen der Reduzierung von Treibhausgasen (Mitigation) und der Anpassung an den bereits stattfindenden Klimawandel (Adaptation), so Ortwin Renn. Er plädiert für einen CO2-Budgetansatz inkl. Reduktionspfaden kombiniert mit Maßnahmen zu CO2-Senken (Climate Engineering), für proaktives Risikomanagement sowie für die Berücksichtigung der Auswirkungen von Maßnahmen auf verschiedene Ziel- und Bevölkerungsgruppen. Nur der Dialog mit allen Betroffenen könne Polarisierungen und Widerstände überwinden.

Weitere Beiträge widmen sich konkreten Handlungsfeldern; etwa wie durch die Kopplung von Strom- und Verkehrssektor die Resilienz der Energieversorgung erhöht werden kann (vehicle to grid), wie die internationalen Verkehrs- und Logistikströme robuster gestaltet werden können (Anton Hofreiter plädiert für das Zurückdrängen von just in time sowie für regionale Versorgungsnetze) und wie resilientere Ökonomien aussehen würden. Tilman Santorius argumentiert, dass die Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie die Krise verschärfe: „Stabilität braucht Veränderung“ (S. 74) Nicht weniger wichtig und interessant sind die Aufsätze zu Widerständigkeit in der Landwirtschaft, zu Vulnerabilität und Resilienz der digitalen Gesellschaft sowie zu den Bedingungen von Vertrauen in die demokratische Steuerungsfähigkeit.