Die Trennung von Privatem und Ökonomischem war selten ganz klar. Innovativ an dem Buch von Eva Illouz und Dana Kaplan ist die Auffächerung des Begriffs des sexuellen Kapitals auf vier Kategorien, um diesen genau verstehen zu können.
Vorgegebenes sexuelles Kapital, erstens, steht für Keuschheit und Häuslichkeit. Vor allem in von religiösem Patriarchat bestimmten Gesellschaften sind diese Eigenschaften kapitalbildend. Sexuelles Kapital als Mehrwert des Körpers, zweitens, steht für die Fähigkeit, den Körper zur Ware zu machen in den verschiedenen Formen der Sexarbeit. Die dritte Kategorie ist „verkörpertes sexuelles Kapital“. Darunter verstehen die Autorinnen, dass aus einem sexualisierten Körper Mehrwert erzielt werden kann, einfacher ausgedrückt: „Sex sells“. „Neoliberales sexuelles Kapital“ ist die vierte Kategorie. „Sie besteht darin, dass viele Menschen sexuelle Entspannung in Gefühle von sozialer Kompetenz, von Selbstwirksamkeit und Selbstwert zu übersetzen vermögen, die ihrerseits eine proaktive, unternehmerische Einstellung nähren können, wie sie von Arbeitgeberinnen gesucht wird.“ (S. 45)
Die Autorinnen sehen bestimmte Entwicklungen in diesen Bereichen. Der Unterschied zwischen Sexarbeit und ‚legitimen‘ Tätigkeiten, bei denen der Körper als sexuelle Oberfläche ausgestellt wird, verschwimme. Gleichzeitig übernehme die Branche der klassischen Sexarbeit immer mehr andere Dienstleistungen. (S. 70)
Auch das verkörperte sexuelle Kapital („Sexyness“) wird immer wichtiger. Es entsteht ein eigener Markt, auf dem Produkte und Dienstleistungen zugekauft werden können, um die eigene sexuelle Anziehungskraft zu stärken. Hier geht es um Körperveränderung genauso wie um die Ausbildung sexueller Fähigkeiten. (ebd.)
Das zunehmende Verschwimmen von Lohnarbeit und Gefühlsleben in Dienstleistungsgesellschaften lässt die Emotionen der Beschäftigten in den Mittelpunkt rücken. Es geht nicht nur darum, dass diese freundlich sind, sondern auch darum, wie sie privat leben sollen, damit sie freundlich sind. Das sexuelle Leben wird so auch ökonomisch bewertbar. „Wenn Sex am Folgetag zu positiven Emotionen führen kann, dürfen wir unterstellen, dass sich das im weitesten Sinn auch positiv aufs Einkommen auswirkt. Dann liegt die Annahme nahe, dass sexuelle Erlebnisse die Arbeitsmarktfähigkeit um eine zusätzliche Dimension bereichern.“ (S. 86) Der Markt kolonialisiert das Private auf einem weiteren Feld.