
Die Dekarbonisierung des Wirtschaftens erfordert einen umfassenden Strukturwandel – darüber herrscht mittlerweile weitgehend Einigkeit. Doch während die einen ausschließlich auf technologische Innovationen setzen, fordern andere eine Abkehr vom Wirtschaftswachstum. Zu ihnen zählt der Sozialwissenschaftler Frank Adler, der die Diskussionsstränge von den unterschiedlichen Zugängen zur Wachstumskritik über die frühen Postwachstumsansätze bis hin zu den aktuellen Diskursen dazu nachzeichnet – konservative Wachstumskritik kommt dabei ebenso zur Sprache wie kapitalismuskritische Ansätze, aber auch linke Kritik an Postwachstum.
Adler vertritt einen systemkritischen Ansatz. Fünf Eigenschaften einer Postwachstumswende benennt er dazu: 1) Reformen sollen „im Rahmen der gegebenen sozioökonomischen Ordnung durchsetzbar sein“, es gehe aber auch um die „Enttabuisierung der Eigentumsfrage“ im Bereich der Grundgüter. 2) Veränderungen müssen strukturell und kulturell vorangebracht werden. 3) Der Wandel soll zu einer lebensweltlichen Verbesserung „großer, repräsentativer Gruppen und Milieus der Bevölkerung beitragen“ (S. 484). 4) Die Anknüpfung an praktischen Neuansätzen, also gelebten „Realutopien“, könne den Wandel anschaulich machen. 5) Reformbündel müssten „unterschiedliche Geschwindigkeiten“ der zu regulierenden Prozesse berücksichtigen (S. 485).
Der Autor setzt an der geänderten Bewusstseinslage vieler Menschen an und zitiert hierfür mehrere Studien. Bei einer Umfrage „Umweltbewusstsein in Deutschland“ (2017) hätten 55 Prozent voll und 91 Prozent überwiegend der Aussage „Wir müssen Wege finden, wie wir unabhängig von Wirtschaftswachstum gut leben können“ zugestimmt (S. 489). „Beträchtliche Minderheiten“ von einem Fünftel bis einem Viertel der Bevölkerung, bei den 14- bis 22-Jährigen ein „reichliches Drittel“, seien aufgeschlossen für eine sozialökologische Transformation. Diese Gruppen sollen als Erstes angesprochen und gewonnen werden (S 487). Auch Milieustudien des Umweltbundesamtes würden zeigen, dass es für Veränderung offene Gruppen gäbe. „Durchschnittliche Lohnabhängige“ und Gewerkschaften wiederum sollen durch eine Debatte über „gute Arbeit“ gewonnen werden (S. 494). Resümee: Der Band gibt einen guten Überblick über die Postwachstumsdebatte.