Wachstum ohne Grenzen

Ausgabe: 2001 | 2

Im nunmehr seit fast 30 Jahren währenden Diskurs um die, je nach Standpunkt der Betrachter, bereits klar vor uns liegenden, sich in Ferne abzeichnenden oder schlichtweg geleugneten „Grenzen des Wachstums“ nehmen die Autoren geradezu euphorisch die letztgenannte Position ein. Was E. Fiala (bis 1988 Mitglied des Forschungsvorstands bei VW und seither Honorarprofessor an der TU Wien) und E. Becker-Boost (Unternehmensberater und u. a. Gründungsmitglied des Austrian Chapter des Club of Rome) propagieren – und gestützt auf eine Vielzahl eindrucksvoll gestalteten Grafiken und Tabellen mit scheinbar überzeugenden Daten und Fakten vermitteln ist, die Chimäre unbegrenzter Ressourcen, die durch neue Technologien und den Mechanismus des sogenannten Freien Marktes ein grenzenloses Wachstum der Wirtschaft zum Wohle aller Menschen ermöglicht. „Nachhaltig“, so formulieren sie knapp, bedeutet demnach „wirksam, unaufhörlich“, (S. XVII), und zielt auf ein unbegrenztes Wachstum (das es – wissen wir es nicht schon längst durch die Arbeiten v. F. Vester, E. U. v. Weisäcker oder auch L. R. Brown ? – in auf Dauer gesunden Systemen nicht geben kann). In grenzenloser Fortschrittseuphorie versprechen die Autoren jedoch weit mehr, als zu halten ist: Da Ressourcen und Energie, wie sie meinen, „im Überfluss und für alle Zeiten vorhanden, und keine Umweltbelastung bekannt ist, die nicht mit überschaubarem Aufwand abgestellt werden könnte, (...) gibt es auch keinen Grund, warum nicht alle Menschen einen Lebensstil erreichen sollten, der dem der Bewohner eines heute reichen Landes entspricht – mit ausreichender Ernährung, klimatisierter und beleuchteter Wohnung, fließendem Wasser (...), in der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit einer demokratischen Regierungsform.“ (vgl. S. 2ff.)

Von der im Wesentlichen gut abgestützten These ausgehend, dass sich alle Bevölkerungsgruppen bei gleichem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (SBIP) ähnlich verhalten, entwickeln die Verfasser ein „Weltmodell“, mit dessen Hilfe sie den Gang durch die „Industrielle Revolution“ nachzeichnen bzw. in Richtung einer globalen Kreislaufwirtschaft fortschreiben, wobei – ein Detail unter vielen – eine Steigerung der Energiegewinnung aus Kernkraft von derzeit 1,1Mrd. kW auf 2,4 Mrd. kW bis 2050 nicht nur prognostiziert, sondern auch befürwortet wird. Denn „Wunschdenken“ (u. a. der Anti–Atom–AktivistInnen), so die Autoren, „führt nur zur Fehleinschätzung der Zukunft, [und ist somit] den Maßnahmen abträglich, die zur Verbesserung der Verteilung der Wirtschaftsleistung auf alle Menschen notwendig sind (S. 125).

Die Kernaussagen des Modells hingegen sind wenig überraschend: Mit steigenden SBIP nimmt bei etwa 1100 $ pro Kopf und Jahr die Zahl der Geburten pro Frau am raschesten ab (...) Über 5000 $ ist dann die Zunahme der Fernsehgeräte, der Straßen, der Nobelpreise (...) und der PC’s  pro Kopf am größten. (S. 124)

Dem geneigten Leser sei an dieser Stelle die Fülle der Daten erspart, die die Autoren im einzelnen (u. a. zu den Bereichen Nahrung und Wasser, Materielle Ressourcen, Energie. Land, Verkehr, Umwelt Klima – oder gar zum Thema Moral und Erwerb vorlegen. Wer Schuldenerlass in der Tat als „verwerfliches Handeln“ bezeichnet (S. 38), wird wohl durch noch so viele angesammelte (und interpretierbare) Fakten nur Wenige überzeugen. Noch weniger überzeugt das harsche Urteil, das etwa Dennis Meadows – einer der Impulsgeber für die Arbeit des „Club of Rome“   zuteil wird: „Seine Prophezeiungen, so heißt es, schöpft aus unklaren Quellen und bleibt deshalb so nichtssagend wie die der anderen falschen Propheten.“ (S. 297)

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Nach Aussagen wie diesen mag das abschließende Votum für die Einführung eines (auch finanzierbaren) Grundeinkommens für alle überraschen. Der mehr als nur hinterfragenswerte Gesamteindruck, wird dadurch keineswegs korrigiert.

Man darf gespannt sein, zu welcher Art von  belebender Diskussion dieser Band Anlass geben wird, die sich Riccardo Díez–Hochleitner, der Präsident des Club of Rome wünscht. Aurelio Peccei, der charismatisch visionäre Gründer des Gremiums hätte mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg gehalten. W. Sp.

Becker-Boost, Erich; Fiala, Ernst: Wachstum ohne Grenzen. Globaler Wohlstand durch nachhaltiges Wirtschaften. Wien (u. a.): Springer, 2001. 430 S., DM 57,- / sFr 50,50 / öS 398,-