Die Stadträte mittelalterlicher Städte reagierten mit Einzelverordnungen auf die zunehmende Verunreinigung der Siedlungsräume; heuzutage sollen Einzelverodnungen - beispielsweise zur Mülltrennung darüber hinwegtäuschen, dass durchdachte Konzepte zur Müllvermeidung fehlen. Beiden Entscheidungen gemeinsam ist die Devise: "Erst verunreinigen, dann so gut wie möglich klären". Hier wird aber keine Anklage-Geschichte des Umwelt-Frevels vom Mittelalter bis zur Gegenwart geschrieben; die Autoren wollen vielmehr der heutigen Natur- und Umweltdiskussion ihre historische Dimension geben. Natur ist dabei keineswegs im Gegensatz zu Kultur und Geschichte zu sehen, sondern sie ist selbst Gegenstand der Kultur wie der Geschichte. Die Beiträge des vorliegenden Bandes stellen die. Zusammenhänge von Kulturentwicklung und Naturwahrnehmung umfassend und anschaulich dar. Zwar wird im Mittelalter Natur als Kunstwerk Gottes gesehen, der Respekt vor seiner Schöpfung schwindet jedoch in dem Maße, in dem der Nutzen von der Natur - beispielsweise bei Rodungen der Wälder und Kanalisationen der Flüsse - überwiegt. Nicht mehr die Theologie bestimmt hier das menschliche Verhalten, sondern das Recht: Waldordnungen, Regelungen des. Fischfangs waren frühe Versuche, durch Satzung" Ubernutzungen" der Natur zu verhindern. Betrachtet man das Umweltschutzrecht vom Beginn der Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert, wird klar, wie noch heute ungelöste Probleme - z.B. Verseuchung der Gewässer - im Laufe der Jahrhunderte gewachsen sind. Der hier gezogene historische Schnitt macht in vielen Beispielen - u.a. in der Geschichte des Bergbaus - deutlich, wie Menschen bei der Gestaltung ihrer Umwelt diese be- und geschädigt haben; machte die "Wilde" im Kontrast zur fortschreitenden Zivilisation Angst - der unberechenbare Wildbach steht hier gegen den gut kontrollierbaren Kanal - so führte und führt die Überwindung bzw. Ignoranz dieser Angst zur Ausbeutung und Zerstörung der Natur. C.R.
Von der Angst zur Ausbeutung. Umwelterfahrung zwischen Mittelalter und Neuzeit. Hrsg. v. Ernst Schubert ". Frankfurt/Main: Fischer, 1994. 182 S. {fischer alternativ) DM 16,90/sFr 14,32/ÖS 131,80