Übervölkerungskriege durch Bevölkerungwachstum?

Ausgabe: 1998 | 3

Wenn es bei dem anhaltenden Bevölkerungswachstum bleibt und es nicht gelingt, vor allem den überzähligen jungen Männern und Frauen die Zukunfts- und Sinnlosigkeit ihres Lebens zu ersparen, dann wird es globale Übervölkerungskriege geben. Sie werden geführt von der aufbegehrenden Masse der Überzähligen. Der „Übervölkerungskrieger" wird sich im "Millionenheer der Armen, Obdachlosen und Slumbewohner" finden, er erscheint in der Gestalt des „Terroristen“ des mordenden Milizionärs, des gesetzlosen Stammeskriegers oder des brutalen Kindersoldaten". So die düstere Prognose von Hartmut Diessenbacher.

Der Historiker und Soziologe geht noch einen Schritt weiter und setzt das stetig wachsende Kriegsgeschehen nach 1945, welches von der drohenden Nuklearkonfrontation überdeckt war - das Hamburger Institut für Kriegsursachenforschung zählte von 1945-1995 194 Kriege, die meisten von ihnen waren Bürgerkriege und gingen mit Völkermorden und Massakern einher - in unmittelbare Verbindung zur gleichzeitig rapide wachsenden Erdbevölkerung. Diese stieg von 2,7 Mia. Menschen im Jahr 1945 auf 5,8 Mia. im Jahr 1995, Prognosen gehen von einer weiteren Verdoppelung auf 10-12 Mia. Menschen bis 2050 aus. Ausführlich analysiert der Autor den Bürgerkrieg und Völkermord in Ruanda, um anschließend verallgemeinerbare Merkmale von "Übervölkerungsgesellschaften" auszumachen. Diese zeigt er sich in der demographischen Wachstumgeschwindigkeit, in der jugendlichen Altersstruktur (die Zahl der 0 bis 24jährigen beträgt in der "Dritten Welt" etwa 60%), in Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung (in Algerien sind gegenwärtig 85% der 15 bis 29jährigen arbeitslos oder unterbeschäftigt). fehlenden Zukunftsperspektiven und versagter Anerkennung, weiters in Landflucht und Verstädterung, mangelnder Ernährungsfähigkeit eines Landes bzw. großer Hilfsabhängigkeit („verdeckte Übervölkerung"), schließlich im Souveränitätsverfall staatlicher Gewalt und in der Rückkehr zum "Recht des Stärkeren". Zudem nennt der Autor die "Entwertung von Kindern" und die "Aufwertung der Waffen" als weitere Krisenmerkmale.

Diessenbacher kritisiert zwar die ungerechte Verteilung des Weltreichtums („Die internationalen Agrarmultis verteilen nach ihren Interessen: 60% der produzierten Nahrungsmittel an die Minderheit der industrialisierten Wohlstandsbürger; von der Mehrheit der Dritte-Welt-Bürger gehen dafür etwa 800 Mio. oder mehr allabendlich hungrig ins Bett", S. 166), er sieht hier aber wenig Veränderungschancen und plädiert daher für eine drastische Reduzierung des "Vermehrungsdranges".

Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen haben sicherlich eine Vielzahl von Ursachen, dennoch wäre es verkehrt, die Bedeutung der demographischen Komponente zu unterschätzen. Sie wird vom Autor in fundierter Weise herausgearbeitet.

H. H. 

Diessenbacher, Hartmut: Kriege der Zukunft. Die Bevölkerungsexplosion gefährdet den Frieden. München: Hanser; 1998. 244 S. DM 36, - / sFr 34, 10/ öS 263,-