„Krieg den Hütten, Friede den Palästen”, so könnte man/frau die Devise der derzeitig gepflogenen neoliberalen Wirtschaftspolitik verstehen. Der von staatlichen Zugriffen weitgehend befreite Markt, aus dessen Selbstregulation und Selbstheilungskraft ein optimaler wirtschaftlicher Zustand erwachsen soll, zeigt in der gegenwärtigen Lage ein erbärmliches Bild: steigende Arbeitslosenzahlen bei zunehmender Ansammlung von Kapital, immer weniger Einkommen für viele Lohnabhängige bei immens sprudelnden Finanzquellen für das Spekulationsgeld der Kapitaleigner. In den USA beispielsweise verfügen 20% der Superreichen über 80% des Gesamtvermögens. Vom Weltsozialprodukt entfallen etwa 4/5 auf weniger denn 20% der Weltbevölkerung. Scheinbar regelt der hochgelobte freie Markt außer den Besitzverhältnissen zugunsten der bereits Besitzenden herzlich wenig. Auch Karl Georg Zinn, Professor für Volkswirtschaft in Aachen, erteilt den „Chicago boys” (=Anhänger der neoliberalen Schule der Universität Chicago um Milton Freeman) eine Abfuhr und bezieht klar Stellung gegen die herrschende Theorie in der politischen Ökonomie und für die sozial- und beschäftigungspolitische Einmischung des Staates.
In seiner Kapitalismuskritik, beruft er sich auf John Maynard Keynes und Jean Fourestié. Dies bedeutet, daß nicht die marktwirtschaftliche Ordnung per se verworfen wird, sondern die Vorstellung von einem sich selbst überlassenen und selbstregulativen Markt, der politische Regelung von Seiten des Staates ausschließt. Zinn kommt aufgrund seiner Krisenanalyse, die auf dem Stagnationstheorem von Keynes basiert, zu Forderungen an die wirtschaftspolitischen Akteure, die diametral denjenigen entgegengesetzt sind, die uns tagtäglich via Massenmedien vermittelt. Die laufende Globalisierungs- und (weh-)leidige Standortdebatte mit dem hysterischen Geschrei um die Konkurrenzfähigkeit sei, so der Autor, Teil jenes main-stream, der Arbeitslosigkeit produziert, anstatt sie zu bekämpfen. „Die gegenwärtige Arbeitslosigkeit der reichen Volkswirtschaften ist ein reines Organisationsproblem der Makroökonomie und somit eine Machtfrage.” (S.14) Zinns Interesse an makroökonomischen Zusammenhängen läßt ihn mit staatlicher Interventionspolitik gegen die einzelwirtschaftliche Unternehmenspolitik argumentieren. Da für ihn die Krise primär durch Nachfragemangel bedingt ist, plädiert er für nachfrageorientierte Beschäftigungspolitik und Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich. Als einzig noch gerechtfertigte Wachstumsbranche erscheint ihm der Umweltschutz: Arbeitsplätze in diesem Bereich als probates Mittel sowohl gegen die ökologische Katastrophe als auch gegen die Wirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit. Aber auch Zinn selbst sieht darin nur eine mittelfristige Lösung. Da durch die kapitalistische Dynamik der Prozeß des Wachstums selbst in einem dialektischen Umschlag die Stagnation bedingt, d.h. Krisen systemimmanent sind, kann es auch nur eine adäquate Antwort geben, die da lautet: Abschied nehmen vom Wachstum. Das Hauptgewicht dieser Abhandlung liegt jedoch nicht auf der Erarbeitung (gänzlich) neuer Lösungsstrategien, sondern auf der ideologiekritisch-historischen Aufarbeitung herrschender wirtschaftspolitischer Dogmen. A. E.
Zinn, Karl Georg: Wie Reichtum Armut schafft. Verschwendung, Arbeitslosigkeit und Mangel. Köln: PapyRossa-Verl., 1998. 182 S. (Neue kleine Bibliothek; 54) DM / sFr 29,- / öS 213,-