
„Es brennt. Armut bekämpfen, Klima retten.“ Unter diesem Titel stand nicht nur die 13. Armutskonferenz, welche 2022 in Salzburg stattfand, sondern auch der dazugehörige Tagungsband. Dieser ist in drei Teile gegliedert und behandelt einleitend die großen sozial-ökologischen Problemfelder, mit Beiträgen von Ulrich Brand, Stephan Lessenich, Judith Kohlenberger und Karin Fischer. Im zweiten Teil „Glutnester“ liegt der Schwerpunkt auf den Dimensionen der sozial-ökologischen Transformation. In diesem Kapitel beleuchten unter anderem Beate Littig, Ilja Steffelbauer, Michaela Moser sowie von Armut Betroffene das Potenzial zu neuen Formen der gesellschaftlichen Organisation in den Bereichen Arbeit, Ernährung, Wohnen, Energie sowie Bildung und Mobilität. Im letzten Teil des Buches widmen sich Susanne Elsen, Gabriele Winkler und viele weitere dem Brandschutz und zeigen sozial- und klimapolitische Feuerlöscher auf. Der Tagungsband überzeugt durch die so dringend notwendige Verbindung der sozialen Frage und dem Klimaschutz, welche durch die vielen unterschiedlichen Schwerpunkte der Autor:innen und Expert:innen einen wunderbaren Überblick über alternative Lebens- und Produktionsentwürfe gibt und dabei auch Hoffnung macht.
Beispielhafter Einblick: Zur Klimakrise und sozialen Frage
„Das Problem der Klimakrise ist die Art und Weise, wie die Gesellschaft organisiert ist, wie wir Mobilität, Ernährung, Wohnen, industrielle Landwirtschaft, Automobilität oder den Flugverkehr organisieren. Da wird schon wieder deutlich, wie ungleich das ist: Wer fliegt? Wer hat ein fettes Auto, die große Wohnung? Die ökologische Krise ist nicht ‚da draußen‘, sondern sie ist im Kern eine Krise der kapitalistischen, auf Expansion angelegten Produktions- und Lebensweise“ (S. 20). Das einleitende Zitat von Ulrich Brand beschreibt sehr treffend, worum sich das gesamte Kapitel dreht: Um die Verteilungsfrage, welche eng verknüpft ist mit dem von Brand und Markus Wissen entwickelten Begriff der imperialen Lebensweise. Diese führe zu einer „strukturellen Sorglosigkeit“ (S. 21), denn wir alle haben bestimmte Dynamiken unserer Produktions- und Lebensweise derart verinnerlicht, dass wir uns – vereinfacht gesagt – nichts mehr dabei denken, wenn man etwa um weniger als 30 Euro nach Madrid fliegen kann oder online Kleidung kauft, deren Preis eigentlich noch nicht mal die Lieferkosten erreicht. Wir – reiche Gesellschaften – lagern viele unserer (Umwelt-) Kosten einfach und gerne aus, etwa in den globalen Süden. Weiters kritisiert Brand, was weitläufig unter einem guten Leben verstanden wird. Gut ist nicht ein „auskömmliches, sinnerfülltes Leben“ (S. 21) sondern im Gegensatz das, was „uns Musk oder Amazon und viele andere verkaufen wollen, das ressourcenintensive und verschwenderische Leben“ (S. 21). Dennoch kann nicht jede:r Einzelne alleine die Verantwortung für ein nachhaltiges Leben übernehmen, denn viel zu oft haben auch Konsument:innen kaum Macht über Produktion und Handelsabkommen.
Ebenso ist die soziale Frage für das Konzept der imperialen Lebensweise relevant. Denn es brauche, so Brand, Hierarchisierung, Ausbeutung und Armut als Antrieb beziehungsweise Abschreckung, um es selbst besser haben zu wollen. Neben der sozialen Ungleichheit als Abschreckung haben westliche Gesellschaften die imperiale Lebensweise bereits so verinnerlicht, dass sie im Grunde eine Art Konsumzwang auf uns ausübt, einen, welchen Armutsbetroffene sehr gut kennen. Der statistische Wert der materiellen Deprivation verdeutlicht das Problem der Teilhabe bei finanziell schlechter gestellten Menschen, sehr anschaulich wird diese Dynamik aber im Kommentar von Christine Sallinger, „Armutsbetroffene sind Klimaschutzweltmeister*innen“ (S. 89), beschrieben.
Es lohnt, dieses Buch in Gänze zu lesen
Der umfassende Tagungsband blickt aus vielen verschiedenen Richtungen auf aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse und erleichtert es Leser:innen, die strukturelle Verwobenheit von Armut, Ungleichheit und Klimakrise zu erkennen. Darüber hinaus bleibt die Publikation aber nicht in der Kritik verhaftet, sondern bietet Lösungsansätze, zeigt auf, was es auch bereits an Alternativen gibt. Dass auch Armutsbetroffene als Autor:innen gewonnen werden konnten, macht das Buch inhaltlich nochmal gehaltvoller. Mit der vorliegenden Rezension kann nur ein grober inhaltlicher Einblick gegeben werden – es lohnt sich, dieses Buch zur Gänze zu lesen.