Über radioaktive Niedrigstrahlung

Ausgabe: 1987 | 2

Etwa eine Million Menschen wird infolge des Reaktorunfalles von Tschernobyl an Krebs und Leukämie erkranken, die Hälfte davon sterben. Diese erschreckenden Zahlen nennt kein gewissenloser Pessimist, sondern ein Mann, der wie kaum ehl anderer dazu berufen ist, sachlich fundierte Aussagen über die Gefahren radioaktiver Strahlung zu machen. John Gofman, Mitarbeiter am Manhattan-Projekt, dann jahrelang Leiter des Lawrence-Livermore-Strahlenlabors in San Francisco, gilt heute als kompetenter Gewährsmann für Atomgegner. Seine Schätzungen, die er als emeritierter Professor für Medizin an der Berkley-Universität ausschließlich vor seinem eigenen Gewissen zu verantworten hat, liegen um ein Vielfaches über den vergleichsweise beschwichtigenden Angaben der Atombetreiber. Eine europäische Kommission, die damit eine Studie der UNO noch unterbot, spricht von weniger als 10.000 Todesfällen aufgrund des Reaktorunfalls. Allein in Österreich wird es nach Gofman diese Zahl von Erkrankungen geben, wobei wiederum die Hälfte tödlich sein dürfte.  

Nach Ansicht Gofmans gibt es keine unschädliche Strahlendosis. Die Gefahr tödlicher Erkrankung und irreversibler Schädigungen des Erbguts sind schon während des sogenannten Normalbetriebs von Atomkraftwerken akut. »Da die Arbeiter mit Betriebsbeginn der radioaktiven Strahlung ausgesetzt sind, beginnt in diesem Augenblick die Schädigung.« Der vorangehende Satz entstammt einer Erklärung, die John Gofman in Anwesenheit eines Richters unter Eid abgegebenen hat. Da an der Kompetenz dieses unermüdlich für die Wahrheit eintretenden Gelehrten nicht gezweifelt werden kann, wird er - aus Unwissenheit oder Absicht - vielfach noch ignoriert. Offizielle Darstellungen, wie kürzlich auch über die Situation in Salzburg, sind nach wie vor verharmlosend. Solange widersprüchliche Daten vorliegen, kann selbst die Wahrheit als Spekulation abgetan werden. John Gofman in einem Kommentar zum ersten Jahrestag von Tschernobyl: -Den Befürwortern der Atomindustrie ist es (bisher) gelungen, eine halbe Million Menschen zu töten, und dennoch wie eine Rose zu rechnen!

Gofman, John W.: Assessing Chernobyl's Cancer Consequences. Vorabdruck einer Studie, gehalten am 9. September 1986 anlässlich eines Symposions über radioaktive Niedrigstrahlung in Anaheim, Kalifornien 58 S.