Über Genetik, Chemie und andere schwarze Löcher

Ausgabe: 1989 | 4

Das von der Werbeindustrie, Politikern und von opportunem Wunschdenken geprägte Bild von der Herrlichkeit des bisher Erreichten, gleicht dem Antlitz des Dorian Grey. Es ist ein Verdienst Jürgen Dahls, uns auch den Blick auf das wahre Gesicht unserer Zeit zu ermöglichen, auf die 'von Wachstum und Fortschritt bewirkten Absurditäten, die uns günstigstenfalls zum Ausgangspunkt zurückgeführt haben. Von der fundamentalen Unfähigkeit am Anfang dessen etwa, "was man gerne den Siegeszug der Chemie nennt", bis zur "Hilflosigkeit auf dem Höhepunkt der Macht", wo wir erleben müssen, daß die Abwendung der Gefahren nicht weniger gefährlich ist als die Gefahren selbst. Kaum anders verhält es sich auch mit dem Gesundheitswesen, wo aufgrund der Kostenentwicklung bald nur der wird überleben können, der über die erforderlichen Mittel verfügt. "Mit dem Fortschritt", so Dahl, "ist es wie mit einem Spielzeug: Am Anfang steht fröhliche Erwartung. Am Ende ist alles kaputt. Zu besichtigen ist das Prinzip derzeit beim Anfang der Gentechnik und am Ende des Waldes." 

Auf dem Weg derer, die sich fortschreitend einem Abgrund nähern, müßte dieses Buch ein unübersehbares Warnsignal für jeden sein, der darin zu lesen beginnt. Mit einer einfachen und klaren Sprache, die an Abraham a Sancta Clara, und mit einer Unerbittlichkeit, die an Karl Kraus erinnert, präsentiert Dahl eine Bestandsaufnahme von einer Anschaulichkeit, die nahezu erlebbare Erfahrung möglich macht. Ein Buch das in jede Schulklasse gehört und Anlaß für die gesetzliche Verpflichtung jedes zehnten Politikers sein sollte, es jeweils neun anderen vorzulesen.

 

Dahl, Jürgen: Die Verwegenheit der Ahnungslosen. Über Genetik, Chemie und andere schwarze Löcher des Fortschritts. Stuttgart, Klett-Cotta, 1989. 153 S.