Auf lange Sicht muß die Abhängigkeit der Industrieländer von natürlichen Ressourcen reduziert werden - müssen wir unsere Gesellschaften "dematerialisieren". Dies gilt um so mehr, als die nachholende Industrialisierung der Länder des Südens sowie das Bevölkerungswachstum eine Vervier- oder gar Verfünffachung der weltweiten wirtschaftlichen Aktivitäten erwarten lassen.
Mitarbeiter des US-World Resources Institutes, des japanischen Instituts für Umweltstudien, des holländischen Ministeriums für Umwelt sowie des deutschen Wuppertal-Instituts haben die Gesamtmaterialflüsse der Volkswirtschaften ihrer vier Länder erhoben. Erfaßt wurden die direkten Materialinputs differenziert nach den Bereichen "Metalle und Industriemineralien" "Fossile Energieträger'; "Baumaterialien'; "nachwachsende Rohstoffe'; "Aushub für Infrastrukturen" und "Erosion" sowie die entsprechenden "ökologischen Rucksäcke'; die sich aus Aufbereitungsabfällen (z. B. Abraum bei Erzgewinnung) und "verlagerten Massen" (z. B. Erdverschiebungen im Baubereich) zusammensetzen. Alles zusammen ergibt den Globalmaterialaufwand (GMA), in den selbstverständlich die Importe und deren ökologische Rücksäcke eingerechnet sind.
Der GMA liegt nach dieser Studie in den USA, der BRD und den Niederlanden auf ähnlich hohem Niveau bei etwa 75-85 Tonnen pro Kopf der Bevölkerung, wobei den fossilen Brennstoffen (v.a. Kohleabbau) der jeweils größte Anteil zukommt. Japan weist mit etwa 40 Pro-Kopf-Tonnen merklich bessere Werte auf, was mit dem bedeutend niedrigeren Pro-Kopf-Energieverbrauch der Inselnation zusammenhängt. Die ökologischen Rucksäcke machen in allen vier Ländern den Hauptanteil am Materialaufwand aus: sie liegen bei 55 bis 75 %. In kleineren Ländern ist der Importanteil der Materialflüsse naheliegenderweise höher: er beträgt in der BRD 35 %, in Japan 50 % und in den Niederlanden gar bei 80 % (bei den Holländern spielt der für Futter- und Nahrungsmittelimporte angerechnete Erosionsverursachungsanteil in den Anbauländern eine bedeutende Rolle).
Für Volkswirtschaften von Interesse ist das Verhältnis von Materialaufwand und Wirtschaftsleistung. Die Materialintensität hat seit den 70er Jahren in allen vier untersuchten Ländern abgenommen, bei weitem jedoch - so die Autoren - nicht genügend stark. Werden zur Erzeugung eines Volkseinkommens von 100 DM in der BRD, den Niederlanden und den USA derzeit etwa 200 Kilogramm an natürlichen Ressourcen benötigt, so sei für eine nachhaltige Entwicklung ein Reduzierungsfaktor 10 (also 20 Kilogramm) notwendig. Ein Beitrag dazu wird die Ausweitung des Recyclings sein. So werden bereits jetzt in den USA, Niederlanden und Japan allein durch Eisenrecycling jährlich 2 Tonnen Material pro Einwohner eingespart (der Wert für die BRD liegt bei nur 0,5 Tonnen).
Die Stoffstromexperten räumen ein, daß die erhobenen Materialmengen selbstverständlich nach den Schadwirkungen der einzelnen Materialkomponenten differenziert werden müssen. (Erste Berechnungen für die USA ergaben, daß "nur" 17% der Materialflüsse hohes Schadpotential aufweist). Dennoch: Die in dieser Präzision hier erstmals vorgelegten Berechnungen (der Appendix enthält die genauen Quellen und Berechnungsmethoden) sind ein wertvolles Hilfsmittel, um unsere Volkswirtschaften auf mehr Ökoeffizienz zu trimmen.
H. H.
Stoffströme: Die materielle Basis von Industriegesellschaften. Adriaanse, Albert ... (Mitarb.). Basel: (u. a.): Birkhäuser, 1998. 777 S. (Wuppertal Texte) DM 79,80/ sFr 76,-/ ÖS 745,-