Anders als frühere Versorgungswirtschaften verbrauche der Industriekapitalismus in - evolutionsbiologisch gesehen - rasantem Tempo die Ressourcen der Erde, um sich “auf ein maximales Expansionstempo hochzupeitschen, bevor er in sich zusammenbricht” (S. 53). So die am Syntropiegesetz der Thermodynamik orientierte Ausgangsthese des Autors. Als “Triebwerk der Wachstumsspirale” sieht der Kritiker des kapitalistischen Wirtschaftssystems (“Ein System siegt sich zu Tode”, 1992) ein Zusammenwirken der technischen Ausbeutung der fossilen Rohstoffe mit dem Prinzip der Geldakkumulation, welches unabhängig von den menschlichen Grundbedürfnissen auf permanente Expansion dränge. Möglich sei dies jedoch nur durch die fortwährende Ausweitung der Konsumsphäre, in der die basalen Versorgungserfordernisse (“needs”) von den scheinbar unbegrenzten Luxuswünschen (“wants”) abgelöst wurden.
Diese Wachstumsspirale könne auch durch Reformen wie eine Ökologisierung des Steuersystems - so Mayer - nicht unterbrochen werden, da Effizienzgewinne immer wieder durch Konsumsteigerungen aufgehoben würden. Folgerichtig fordert er daher eine “ressourcenbegrenzte Wirtschaft” und schlägt hierfür nach oben limitierte C02-Budgets als eine Art Zusatzwährung für jeden Erdenbürger vor. Neben dem Kaufpreis sollten alle Produkte und Dienstleistungen auch ihre C02-Bilanz ausweisen. An der Kasse wird dann nicht nur der Geldpreis bezahlt, sondern auch der C02-Wert vom persönlichen C02-Budget des Käufers etwa über eine Chipkarte abgebucht. (C02 ist für Mayer nicht nur wegen der Kliamrelevanz ein geeigneter Indikator, sondern auch weil fossile Energie gegenwärtig die Basis der In-Wertsetzung von Natur darstellt, wiewohl hier etwa Atomenergie unberücksichtigt bleibt. Als Zielwert nennt Mayer etwa 2000 kg C02 pro Jahr und Einwohner - der BRD-Bürger verbraucht derzeit etwa 12.000 kg!.
Der Vorschlag des Autors ist konsequent, weil er den Gerechtigkeitsaspekt ins Zentrum rückt: “Eine humane, sozial gerechte Gesellschaft ist nicht möglich, wenn die nicht sättigbaren Bedürfnisse mit den sättigbaren Bedürfnissen um die begrenzten Ressourcen konkurrieren” (S. 82). Während der eine Teil der Menschheit im Überfluß lebt (der Autor spricht von der “Konsumentenklasse”), fehlt es vielen am Notwendigsten. Geld und Markt versagen hier als Steuerungsmedium. Sie sind aber auch blind hinsichtlich der Begrenztheit des “Umweltraums”. Doch - und dies ist der Pferdefuß - ist schwer vorstellbar, wie das Konzept einer “C02-Währung” politisch umgesetzt werden soll, fällt es doch schon schwer, Ökosteuern zu erlassen. Dennoch: Mayers Buch macht deutlich, daß Umweltpolitik - tatsächlich ernstgemeint - nur über völkerrechtlich verbindliche Kontingentierungen und eine “Grundbedürfnisstrategie” (S. 194) zu machen sein wird. Die Ausführungen regen zudem an, neben der ökologischen auch die kulturelle Sackgasse unseres Wohlstandsverständnisses zu erkennen (so zählte für mich das Kapitel über den “Konsum des Überflüssigen” mit treffenden Seitenhieben gegen die künstlichen Traum- und Erlebniswelten zu den spannendsten!).
H. H.
Mayer, Lothar: Ausstieg aus dem Crash. Entwurf einer Ökonomie jenseits von Wachstum und Umweltzerstörung. Oberursel: Publik-Forum-Verl., 1999. 384 S., DM 39,- / sFr 36,- / öS 285,-