Der Abschied vom Leben ist zu einem vielfach langwierigen, oft verdrängten Prozess geworden. Das zunehmend individualisierte Sterben auch außerhalb medizinischer Einrichtungen achtsam und fürsorglich zu begleiten, hat sich vor allem die Hospizbewegung zur Aufgabe gemacht, die in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit und Zuspruch gewonnen hat. So gibt es allein in Deutschland (Stand 2019) 1500 ambulante Hospizdienste und 247 stationäre Hospize (S. 49), in denen nicht zuletzt qualifizierte Ehrenamtliche (überwiegend Frauen) tätig sind.
Wie aber werden Sterben und Sterbebegleitungen in einem Hospizkurs vermittelt?
Diese Fragestellungen stehen im Zentrum der hier vorliegenden Dissertation. Eingeleitet von einem umfangreichen theoretischen Teil, in welchem der Verlauf des Sterbens und die Rolle der Hospiz aus sozialwissenschaftlicher Perspektive und ethnografische Zugänge thematisiert werden, stehen die Befunde eines kirchlichen Hospizlehrgangs im Zentrum, den die Autorin als beobachtende Teilnehmerin umfassend reflektiert. Ausgehend von einer detaillierten Beschreibung des ersten Kursabends – teilgenommen haben 15 Personen im Alter zwischen 25 und 75 Jahren – werden unter anderem Formen der Wissensvermittlung wie Einstellungs-, Orientierungs-, und Vergemeinschaftungspraktiken erläutert, die das vertrauensvolle Miteinander Moribunder und deren Begleitung ermöglichen sollen. Der Bedeutung von Symbolen und Ritualen wird ebenso nachgegangen wie dem Sterben als „Arbeit am flüchtigen Wir“ (S. 181ff.). Skeptisch sieht die Autorin übrigens das oft benannte Ideal vom "guten Sterben“, das in dem von ihr besuchten Kurs übrigens nicht thematisiert wurde, schon deshalb, „weil hier nicht gestorben wird und so nachträgliche Wertzuschreibungen konsequenterweise ausbleiben“ (S. 219).
Besondere Erwähnung verdient der abschließende literarische Teil. In einem „autofiktionalen Schreibversuch“ gibt Melanie Pierburg Einblick in die nach dem Kursabschluss erfahrene Praxis. Was bedeutet es zu begleiten, einer Sterbenden beim immer langsamer werdenden Atmen zuzuhören? Ist sie noch in der Lage, meine Worte zu vernehmen? Ist, was ich tue, Arbeit? Entscheidend wohl ist es, da zu sein und es auch zu ertragen, keine Antworten zu haben.