Sozialwissenschaftliche Umweltforschung, ökologisches Handeln, sozialer Prozess

Ausgabe: 1995 | 4

Selbst optimistische Fachleute liefern uns heute immer düsterere ökologische Zukunftsszenarien, sollte der Mensch sein Verhalten gegenüber der Umwelt nicht ändern. So auch dieser Sammelband; er steht ganz im Zeichen der neuen, sozialwissenschaftlichen Umweltforschung, die auf dem Wege der Analyse individueller und sozialer Zusammenhänge die Lösung der Umweltproblematik dort sucht, wo sie ihren Ausgang nimmt: beim Menschen.

Fuhrers Zusammenstellung versteht sich eindeutig als Gegengewicht zur bislang dominierenden naturwissenschaftlich-technologischen Umweltforschung und beinhaltet neben der Einführung des Herausgebers neun wissenschaftliche Beiträge in deutscher, englischer und französischer Sprache, von denen hier zwei beispielgebende herausgegriffen werden sollen. Wolfgang Gessner und Ruth Kaufmann-Hayoz setzen sich in ihrem Beitrag mit den sozialpsychologischen Voraussetzungen für die Veränderung menschlicher Verhaltensweisen auseinander. Systematisch stellt das Autorenduo dar, daß diese gerade in der Umweltproblematik großteils nicht vorhanden sind. So verhindert die Langfristigkeit ökologischer Veränderungen deren Perzeption und somit auch die Erkenntnis des Handlungsbedarfs. Der positive Wert einer vielleicht in Jahrzehnten saubereren Umwelt wird von den Menschen im Gegensatz zu beispielsweise teureren Naturprodukten nur schwach empfunden. Weiters ist die medial vermittelte Information über Umweltfragen oft selektiv, widersprüchlich oder schlichtweg falsch. Und schließlich läßt auch die politische Planung und Strategiebildung zur konkreten Umsetzung ökologischer Verhaltensänderungen zu sehr auf sich warten.

Paul C. Stern vom U. S. National Research Council in Washington D. C. zeigt in seinem Beitrag "Understanding and Changing Environmentally Destructive Behaviour" sozialwissenschaftliche Wege zur Lösung der Problematik auf: die genaue Analyse der betreffenden Verhaltensweisen und die Berücksichtigung ihrer Komplexität. So sind beispielsweise für die Autoabgase neben den Autofahrern auch die Konstrukteure, Herstellerfirmen, Ölkonzerne und Verkehrspolitiker verantwortlich. Ein ebenso selbstverständlicher wie häufig vernachlässigter Faktor wird von Paul C. Stern dabei besonders betont: nie dürfe man die Perspektive jener außer acht lassen, die zur Änderung ihrer Verhaltensweisen veranlaßt werden sollen. 

Insgesamt stellt dieses Buch einen wertvollen und richtungsweisenden Beitrag für die Umweltforschung dar. Es bestätigt, daß die bedrohlichen ökologischen Probleme unserer Zeit nur durch die verstärkte Einbindung der Sozialwissenschaften entschärft werden können.

H. S.

Ökologisches Handeln als sozialer Prozeß. Ecological action as a social process. Hrsg. v. Urs Fuhrer. Basel: Birkhäuser-Verl., 1995. 152 S. (SPP-UmweltThemenhefte) sFr 38,- / DM 46,- / ÖS 358,80