Übernutzung der natürlichen Ressourcen, vielfältige Eingriffe des Menschen in die natürlichen Selektionsbedingungen, und vor allem eine unaufhaltsame Zerstörung, Degradierung und Fragmentierung von Ökosystemen sind die Hauptursachen für den dramatischen, noch immer weitgehend verdrängten Verlust der biologischen Vielfalt der Erde. Jenseits einer "Plüschtierökologie" , die die Rettung einzelner liebgewordener vom Aussterben bedrohter Arten medienwirksam in den Blickpunkt rückt, geht der vorliegende Band den Ausmaßen der Bedrohung der Biosphäre, ihren Ursachen sowie möglichen Auswegen aus der gefährlichen Sackgasse nach.
Grundinformationen über die weltweite Verteilung biologischer Arten (die artenreichsten Gebiete liegen durchwegs in den Ländern des Südens) und deren Gefährdungen (nun auch durch die aktuellen Klimaveränderungen) folgen Überlegungen zu Gegenstrategien - vom Aufbau nationaler Umweltfonds über die Aktivitäten von Umweltorganisationen bis hin zur ökonomischen Verwertung der Artenvielfalt ("Schützen durch Nützen"), deren Chancen und Gefahren etwa am Beispiel eines Nutzungsvertrages von Costa Rica mit dem US-Pharmakonzern Merck analysiert werden. Bietet sich hier eine Möglichkeit, Naturschutz und wirtschaftliche Entwicklung zu verbinden? Wird der reiche Norden erneut der Hauptnutznießer, Mensch und Natur des Südens erneut die Verlierer sein? Das sind offene Fragen, die sich auch hinsichtlich der Zukunft der Gentechnik stellen.
Erörtert werden aber auch das Leben indigener Völker mit der Natur, die Bedeutung von Nationalparks und Zoos sowie die Frage engagierten Artenschutzes in Europa (ein Kapitel ist dem "deutschen Wald" gewidmet). Die Notwendigkeit neuer Naturlandschaften wird am Beispiel des" Urwaldes von Zürich" - ein Stadtwald wurde dort wieder sich selbst überlassen - untermauert. Die Beiträge dieses Bandes zeichnen sich durchwegs durch profunde Kenntnis der Materie sowie die bewußte Herstellung der Zusammenhänge zwischen ökologischen und sozialen Fragen aus. Die kritischen Warnungen vor jedwedem vordergründigen "Naturschutz" machen sensibel gegenüber politischen Beschwichtigungsstrategien und mahnen ein Mensch-Natur-Verhältnis ein, das mit der" unmittelbaren Kontrolle über die eigenen Lebensumstände " im Sinne einer" regionalen Nachhaltigkeit" zu tun hat und damit auch mit Demokratisierung und Selbstbestimmung.
H. H.
506 Leben und Leben lassen. Biodiversität - Ökonomie, Natur- und Kulturschutz im Widerstreit. Hrsg. v. Jürgen Wolters. Giessen: Focus, 1995. 234 S. (Ökozid; 10) DM / sFr 29,80 / öS 232,50