
Jeremy Rifkin macht in seinem neuen Buch darauf aufmerksam, dass wir Bewohner:innen eines Wasserplaneten sind und plädiert für eine Umbenennung des Planeten Erde zu Planet Aqua. Unsere Wurzeln reichen bis in die Tiefe der Ozeane, wir haben genetische Gemeinsamkeiten mit urzeitlichen Fischen. Auch die ersten Monate unseres Lebens in der Gebärmutter führen uns vor Augen, dass wir Wasserwesen sind. Wasser ist unser Milieu, es spendet Leben und bildet die Hydrosphäre, welche die anderen drei großen Sphären antreibt: die Lithosphäre, die Atmosphäre und die Biosphäre. Doch wir haben das Wasser domestiziert, nur so konnten die großen „hydraulischen Zivilisationen“ entstehen. Wir haben die Hydrosphäre ausgebeutet, versucht, das Wasser an unsere Bedürfnisse anzupassen.
Nun hat die Erwärmung des Planeten die lang gebändigte Hydrosphäre entfesselt und wir sind gefordert, einen neuen Weg einzuschlagen, eine neue Beziehung zu unserem Planeten herzustellen. Wir müssen uns an das Wasser anpassen, nicht mehr umgekehrt. Während die hydraulische Zivilisation versinkt, tauchen schon heute Anfänge einer „ephemeren Gesellschaft“ auf, die sich mit flexibleren Ansätzen an die entfesselte Hydrosphäre anzupassen vermag. Mit diesem Begriff umfasst Rifkin Phänomene wie ein verstärktes Nomadendasein im Gegenzug zu kürzeren Phasen von Sesshaftigkeit, die Slow-Water Bewegung, Wasserinternet, Schwammstädte, u. v. m. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Natur passiv ist und sich ohne Konsequenzen ausbeuten lässt. Die Phase des sicheren, gemäßigten Klimas ist vorbei, und wir benötigen ein neues Verständnis von Zeit und Ortszugehörigkeit. Indem wir uns und unsere Mitgeschöpfe als Wasserwesen begreifen, kann uns die Anpassung an den nach einem neuen Gleichgewicht suchenden Planeten gelingen.
Vor dem Hintergrund des Wassers reflektiert Rifkin eindrucksvoll die Geschichte der Menschheit auf dem Planeten. Das Buch informiert außerdem über zahlreiche Entwicklungen und Modelle, was das Klima, das Zusammenleben, die Wirtschaft, Landwirtschaft oder Künstliche Intelligenz betrifft. Zugrunde liegt der Neuorientierung aber die Veränderung im Selbstverständnis des Menschen: das Wasser ist die Quelle auch unseres Lebens, es ist das „Erhabene“, an das wir uns mit „Biophilie und Empathie“ (S. 276) anpassen können, wir können die Welle reiten, statt gegen den Strom anzuschwimmen.