Dieser Sammelband ist ein geschlossenes Plädoyer. Alle Beiträge zielen gleichermaßen auf die bedingungslose Unterstützung eines multikulturellen Miteinanders in einem ungeteilten Bosnien-Herzegowina. Als Kristallisationspunkt dafür fungiert Sarajewo. Die Beiträge bewegen sich zwischen der Darstellung eines idyllischen multikulturellen Miteinanders bis zur nüchternen Einschätzung eines zwar immer schon konfliktbeladenen, doch lebbaren ethnischen Nebeneinanders. Dabei gelingt es den Autoren, den Krieg gegen Bosnien als einen Krieg der monistischen Verneinung von Multikultur darzustellen.
"Unser Arbeitsprinzip war immer die unveränderbare Philosophie, die Leute danach zu unterscheiden, ob sie für die geschichtlich erwiesene Tradition des multikulturellen Miteinanders oder dagegen sind", stellt Adil Kulenovic fest. Um dies zu verdeutlichen präsentieren neben koratischen, muslimischen und jüdischen bewußt auch serbische Autoren eine Fülle interessanter Details aus der bosnischen Geschichte, Sprache und Alltagskultur. Das Buch ist aber auch eine energische Anklage: Nicht nur die Unfähigkeit und Ignoranz der internationalen Gemeinschaft, der Raymond Rehnicer gar unterstellt, "die ethnische Säuberung als berechtigte, sogar wünschenswerte Verfahrensweise zu akzeptieren", wird gegeißelt.
Auch Interventionsversuchen der zivilen Gesellschaft wird bestenfalls gute Absicht bescheinigt. Slavenka Drakulic meint, daß "wenn Zuwendung und Mitgefühl allein Sarajewo retten könnten, dann wäre Sarajewo längst gerettet. Aber Sarajewo und Bosnien können nur durch die energische Entscheidung gerettet werden, das Blutbad mit Gewalt zu beenden." Diese Einforderung einer militärischen Intervention ist eine zentrale Konsequenz nahezu aller Beiträge, die häufig von Assoziationen mit dem Nationalsozialismus begleitet und verstärkt wird. Durch solche drastische Emotionalisierungen gerät die Anklage gelegentlich zur persönlichen Abrechnung. Das trifft Gegner einer militärischen Intervention genauso wie Skeptiker der frühen Anerkennungspolitik oder die Akteure der "Friedensverhandlungen". Diese Abrechnung gipfelt in der Auseinandersetzung zwischen den Journalisten Peter Brock und Roy Gutman über die "Medienlüge Bosnien". Johannes Vollmer wirft darin Brock u. a. "anwaltschaftlichen Journalismus" vor. Doch vor diesem Verdacht sind Herausgeber und Autoren wohl auch nicht gefeit.
H. P G.
"Daß wir in Bosnien zur Welt gehören". Für ein multikulturelles Zusammenleben. Hrsg. v. Johannes Vollmer. Solothun (u. a.): Benzinger, 1995, 306 5., DM/sFr 26,80/ öS 209