Bart Somers, Bürgermeister der belgischen Stadt Mechelen, hat ein Buch über gelungenes Zusammenleben in einer multikulturellen Stadt geschrieben. Mechelen kämpft mit Drogen, Islamismus und dem sozialen Sprengstoff, den das Nebeneinander von über 120 Kulturen mit sich bringt – und gilt dennoch als Vorzeigestadt in Belgien.
Der Autor thematisiert verschiedene Problemfelder, wobei dem Thema Islamismus und Sicherheit besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Intensive präventive Jugendarbeit unter Einbindung der lokalen MuslimInnen hat dazu geführt, dass kein einziger Moslem aus Mechelen sich dem IS angeschlossen hat (im Gegensatz zu allen anderen größeren belgischen Städten). Wichtig ist dabei, MuslimInnen nicht zu Feindbildern zu machen bzw. kollektiv zu stigmatisieren. Auch dürfen westliche Gesellschaften ihre Freiheiten angesichts des Terrors nicht aufgeben: „Wenn wir in Zeiten der Krise unsere fundamentalen Rechte und Freiheiten preisgeben, degradieren wir uns selbst zu Opportunisten und Schwätzern“ (S. 44).
Präventionsprojekte und gegenseitige Anerkennung
Eine zentrale Rolle spielt das Herstellen von Sicherheit durch Polizeiarbeit. Durch Präventionsprojekte, welche Sozialarbeiter, Polizei, gefährdete Jugendliche und vor allem deren Eltern an den Tisch bringen, konnte die Sicherheitslage in Mechelen bedeutend verbessert werden (S. 55). Zentral war die Aufwertung des öffentlichen Raums in Problemvierteln. Hochwertige bauliche Maßnahmen in den „armen“ Vierteln, gepaart mit Kameraüberwachung im öffentlichen Bereich, haben diese Stadtteile enorm aufgewertet und für eine gute soziale Mischung gesorgt.
Ein gutes Miteinander gründet auf gegenseitiger Anerkennung, wie Somers immer wieder betont. Dazu gehört ein Abbau von Vorurteilen auf Seiten der Mehrheitsbevölkerung: „Die Feststellung beispielsweise, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund viermal häufiger in den Polizeistatistiken landen als Jugendliche ohne Migrationshintergrund, lässt unberücksichtigt, dass sich mehr als neunzig Prozent – die übergroße Mehrheit – dieser Migranten auf dem rechten Weg befinden“ (S. 101f).
Somers warnt vor Einmischung in interislamische Debatten
Gleichzeitig gibt es eine Reihe roter Linien, die für Somers nicht verhandelbar sind, etwa die Grundrechte, die Trennung von Staat und Kirche, die Freiheit der sexuellen Orientierung, die Gleichheit der Geschlechter – auch wenn sie in Widerspruch zu kulturellen oder religiösen Traditionen von Migrant- Innen stehen: „Hier gibt es keinen Millimeter Verhandlungsspielraum“ (S. 115). Gleichzeitig warnt der Autor davor, sich in innerislamische Debatten einzumischen und etwa Kopftuchträgerinnen zu stigmatisieren: Ein Kopftuchverbot hält er für unvereinbar mit der individuellen Freiheit (S. 190). Religiöse Freiheit darf jedoch nie in Segregation enden. So hat der Stadtrat von Mechelen Plänen für eine muslimische Schule eine Abfuhr erteilt, denn: „Die Kinder, die dort zur Schule gehen würden, hätten keine Interaktion mit dem Rest der Gesellschaft und würden in einem vollkommen segregierten Umfeld landen“ (S. 203).
Hier zeigt sich noch einmal das Erfolgsrezept der Stadt Mechelen: Respekt und Anerkennung für das Andere, aber auch das Gemeinsame fordern und fördern.