Peter Frankopan

Peter Frankopan: Zwischen Erde und Himmel

Ausgabe: 2024 | 3
Peter Frankopan: Zwischen Erde und Himmel

Der Historiker Peter Frankopan ist für seine Warnungen bekannt, dass wir nicht aus der Geschichte lernen würden. Dies gilt auch für sein neues  Werk „Zwischen Erde und Himmel“. Der Autor macht kein Hehl daraus, für wie gefährlich er die aktuellen Umweltkrisen hält: „Wir leben heute wegen des Klimawandels in einer Welt am Rande der Katastrophe“ (S. 17). Um uns für die „grundlegende Bedeutung des Klimas für die Menschheitsgeschichte“ zu sensibilisieren, schildert Frankopan, wie das Klima die menschlichen Gesellschaften von Anbeginn bis heute prägt. Im ersten Kapitel des 4,7 Milliarden Jahre umspannenden Buchs schaut man der Welt fasziniert beim Werden zu. Vulkane brechen aus, Meteoriten schlagen ein, Landmassen kollidieren, Sauerstoff entsteht und mit ihm CO2. Es kommt zu ersten Treibhausgas-Katastrophen und Massenaussterben.

Vielfältige Wechselwirkungen

Ab dem zweiten Kapitel geht es um die vielfachen Wechselwirkungen zwischen Klima und Menschen – und was wir für die Zukunft daraus lernen können. Dabei hat Frankopan die Entwicklung von Siedlungsformen und den Proteingehalt der Nahrung genauso im Blick wie das Entstehen von Religionen, Seuchen und Kriegen. Sie alle gehen in letzter Konsequenz auch auf die Explosion von Supernovas und Meteoritenhageln zurück, die den Rohstoffreichtum der Erde herbeigeführt haben. Rohstoffe, die der Mensch der Erde nun wieder im Übermaß entzieht. Der Historiker zeigt, dass es in allen Kulturen Normen und Vorschriften gab, die Natur und Ökosysteme zu achten, dass diese aber sehr häufig nicht gehört wurden. Klimaveränderungen hätten demnach häufig eine Rolle beim Niedergang von Kulturen und Imperien gespielt, aber nie die einzige, so der Historiker. Meist war es das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, die in die Katastrophe geführt hätten.

Wer sich durch die Geschichte menschlicher Kulturen, den Aufstieg und Fall von Reichen und Zivilisationen gelesen hat, gelangt schließlich in der Jetzt-Zeit an. Frankopan trägt hier zusammen, was es an Umweltzerstörungen im gegenwärtigen Konsumkapitalismus gibt. Die Weltwirtschaft sei in den drei Jahrzehnten seit 1990 „in schwindelerregendem Tempo“ (S. 791) gewachsen, doch für mehr als zwei Drittel der Stadtbevölkerung weltweit hätten sich die Einkommensunterschiede seit 1980 vergrößert: „Das heißt, dass fast drei Milliarden Menschen in Städten leben, in denen die Chancen und Zukunftsaussichten heute schlechter sind als noch vor einer Generation“ (S. 799). Die Ausbeutung der Natur sei gigantisch – von der Rodung der Regenwälder über die Auslaugung der Böden bis hin zur Verknappung der Wasserressourcen. All das schlage auf den Menschen zurück – ob durch erhöhte Sterblichkeit aufgrund von Feinstaubbelastung oder durch den Verlust von Ernteerträgen.

Neben mittlerweile vielfach erforschten und zitierten Befunden über die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels, die Folgen des Überkonsums für den Rohstoffverbrauch und die Abfallprobleme verweist Frankopan auch auf weniger bekannte Probleme. Der permanent expandierende Welthandel trage zur rascheren Verbreitung von Viren ebenso bei wie zur Invasion fremder Arten. Der Asiatische Eschenprachtkäfer, so ein Beispiel, bedrohe mittlerweile alle 15 Millionen Eschen in den USA. Rund 1.300 invasive Schädlinge und Erreger beziffert der Autor, die in Zukunft jährlich Schäden in Höhe von hunderten Milliarden verursachen könnten.

„In einer Zeit, in der 52 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgelaugt sind und die Hälfte der Weltbevölkerung unter den Auswirkungen leidet, kann man schon pessimistisch werden“, so Frankopan. Und auch, dass die Klimaerwärmung nicht auf die anvisierten 1,5 Grad zu beschränken sein wird, sollte zu denken geben. Der Autor wählt drastische Worte, wir sollten uns mit der Möglichkeit vertraut machen, „dass es sich um das Endspiel der Menschheit handeln könnte“ (S. 820). Für die Zukunft seien „wirtschaftliche Erschütterungen durch Missernten, Lebensmittel- und Wasserknappheit, steigende Preise, Massenmigration, eskalierende Gewalt und Kriegsgefahr zu erwarten“ (S. 821). Der Klimawandel werde auch die Geopolitik verändern: Von den 22 Ländern, denen der Klimawandel zugutekommt, befinde sich die Hälfte auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion, weil dort die Ernteerträge steigen würden. Probleme gäbe es aber auch in diesen Ländern. So müsse Russland mit dem Austritt chemischer, biologischer und radioaktiver Substanz aufgrund des auftauenden Permafrosts rechnen.

Kritik an Verharmloser:innen

Frankopan kritisiert im Schlusskapitel all jene, die die Ökokrisen noch immer verharmlosen, und er zeigt, dass es Auswege gibt, etwa durch die Nutzung der Solarenergie: „Selbst wenn die britische Regierung die für 2035 zugesagten Solarkapazitäten verfünffachen würde, nähmen die Solaranlagen nur 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes ein – oder etwa die Hälfte der Fläche, die heute von Golfplätzen beansprucht wird“ (S. 826). Dieses Beispiel macht deutlich, dass vieles, was noch immer für selbstverständlich genommen wird, in Zukunft anders zu bewerten sein wird. Neue Technologien und Maßnahmen zur Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen könnten uns helfen, die Krisen zu meistern. Doch der Historiker warnt auch hier, denn in der Vergangenheit sei „sehr vielen Gesellschaften, Völkern und Kulturen diese Anpassung nicht gelungen“ (S. 827). Kritisch sieht Frankopan auch die Versuche, das Klima künstlich zu verändern. Mehr als 50 Nationen würden derzeit Programme zur Manipulation des Klimas unterhalten – mit ungewissen Folgen. Die Natur würde wieder als etwas angesehen, dass es zu zähmen gilt, und nicht als etwas, „das Grenzen vorgibt und Anpassung erforderlich macht“ (S. 837).

Resümee: Die historischen Kapitel des Buches sind mit Neugier und Faszination zu lesen – die Ausblicke aber bleiben düster. Man fühlt sich beinahe erschlagen von der Fülle an alarmierenden Befunden. Deutlich wird, dass die Krisen auch volkswirtschaftlich teuer werden, was wahrscheinlich zu größeren Veränderungen führen wird. Das Buch bietet zahlreiche Fakten und Befunde, nicht erwarten darf man sich Konzepte, wie ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem aussehen könnte, und ob dieses im Kapitalismus möglich sein wird.