Das Wetter macht Geschichte. Das weist auf 281 Seiten der Historiker und Journalist Ronald Gerste nach: Anhand von vielen Beispielen zeichnet er die Zusammenhänge zwischen klimatischen Veränderungen und gesellschaftlichen Entwicklungen nach.
Die Effekte des Wetters auf die Weltgeschichte waren natürlich vor allem über die Nahrungsmittelproduktion vermittelt. Aber auch mittelfristige Effekte auf militärische Operationen gaben der Geschichte oft einen Stoß in eine andere Richtung. Sandstürme, besonders kalte Winter, vereiste Flüsse bedeuteten mehr als einmal, dass Feldzüge möglich wurden oder scheiterten. Auch technische Errungenschaften und die aus ihnen folgenden Möglichkeiten haben einen Zusammenhang mit dem Wetter. Die berühmte steinerne Brücke bei Regensburg wurde in einer Wärmeperiode gebaut, als die Donau kaum Wasser führte.
Vor allem Vulkanausbrüche hatten immer wieder gravierende Auswirkungen. Die dabei ausgestoßenen Staubmassen verdunkelten immer wieder monatelang den Himmel. Der lange vor Christus ausgebrochene Vulkan Toba hatte verheerende Effekte, der Vulkanausbruch von 535 in Papua Neuguinea verdunkelte noch in Italien den Himmel und sorgte für schlechte Ernten.
Große Verschiebungen wie die mittelalterliche Wärmeperiode von 950/1000 bis 1300 ermöglichten bessere Ernten und damit die Bildung von Städten, weil die Nahrungsmittelproduktion dies unterstützte.
29 Beispiele wie diese führt Gerste auf, erzählt die Zusammenhänge und macht somit deutlich, dass man über das Wetter reden sollte. Vor allem wird klar, dass die klimatischen Veränderungen nicht nur parallele, klar vorhersehbare Veränderungen bringen. Sie können dazu führen, dass vorerst scheinbar unwichtige Nebeneffekte über Kausalketten große Folgen auslösen. Das ist wahrscheinlich die wichtigste Lehre aus der Befassung mit der Wettergeschichte.
Gerste selber systematisiert diese Erfahrungen nicht. Er lässt die Beispiele nebeneinander stehen und auf den Leser oder die Leserin wirken. Klimawandel, das zeigt die Geschichte, kann eine Vielzahl von Gründen haben, die meisten davon gehen nicht auf den Menschen zurück. Gerstes Perspektive auf den Klimawandel hat ihre Berechtigung und niemand bestreitet, dass Klimaveränderung viele Ursachen haben kann. Die Gefahr dieser Hinweise besteht allerdings darin, dass sie zu Phlegmatismus führen könnten, dass man die anpackbaren offensichtlichen Herausforderungen scheut. Gerste ist sensibel genug, um diese Gefahr zu umschiffen: In seinem Epilog geht er auf die Frage des aktuellen, durch Menschen verursachten Anteils am Klimawandel ein. „Natürlich ist der Autor dieser Zeilen davon überzeugt, dass global warming real und zumindest partiell anthropogen ist – überzeugt genug, um sich zu wünschen, dass die von Regierungen verkündeten Reduktionziele Realität und möglichst überboten werden mögen, dass klimafreundliche Technologien in allen Lebensbereichen einen Durchbruch erzielen und dass jeder Einzelne das in seinen Kräften Stehende tun möge, um diesen kleinen, zerbrechlichen und vollen Planeten zu bewahren.“ (S. 281) Stefan Wally
Gerste, Ronald D.: Wie das Wetter Geschichte macht. Katastrophen und Klimawandel von der Antike bis heute. Stuttgart: Klett-Cotta, 2015. 288 S., € 19,95 [D], 20,50 [A] ; ISBN 978-3-608-94922-3