Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf.

Ausgabe: 1998 | 2

Gibt die Tatsache, daß Menschen - ja alle Lebewesen auch davon leben, daß sie Aufmerksamkeit und Beachtung erregen und diese auch erwidert wird, genug Substanz für einen Essay ab? Durchaus, wenn sich daraus die Frage ableitet, wie die angeborenen Instinkte so weit instrumentalisiert werden können, daß daraus ein ökonomisches System entsteht, das aus den dabei entstehenden Defiziten Kapital akkumuliert.

Der Autor - ein Experte für Stadtentwicklung, Umweltpolitik, neue Medien und Philosophie - betrachtet diese Phänomene aus dem Blickwinkel der ökonomischen Theorie und der Soziologie. Für ihn bricht mit den Massenmedien die industrielle Ära des mentalen Kapitalismus an. Wenn gemeinschaftsstiftende (An)Teilnahme, Mitgefühl, Mitleid, Entgegenkommen und Achtung zunehmend durch eine „Attraktionsökonomie" verdrängt werden, entsteht daraus für geschickte Vermarkter ein ”Beachtungseinkomrnen", Entweder (Be)Achtung schenken oder sie erregen, um sie zwangsläufig gewinnbringend zu befriedigen - ein Wandel ins Obszöne eines überreizten Showbusiness, nicht weit entfernt von Promiskuität. Prostitution und Abhängigkeit von der Droge Prominenz. Während immaterielle Werte der Zuwendung in einem egalitären „Tauschsystem" nicht kapitalisierbar sind, unterliegen die Erträge aus der medialen und teilweise - globalen Aufmerksamkeitsindustrie den vorherrschenden Marktgesetzen. Da bestimmt der Bekanntheitsgrad den Kurs- und Tauschwert auf einem zunehmend einheitlichen Markt. Diesem Trend scheinen selbst gemeinnützig orientierte Personen und Gruppen zu erliegen. Franck geht es primär um eine Analyse dieser Prozesse und nicht sosehr um Patentrezepte gegen deren fatalen Folgen. "Anlaß zur Hoffnung auf einen Friedensschluß mit der Natur gibt die Entmaterialisierung des Wirtschaftsprozesses noch nicht. Es reicht nicht, material- und energieintensive Prozesse durch informationsintensive zu ersetzen." (S.214) Der Autor gesteht den Karrieristen einen "ökologischen Hedonismus" zu, der den angehäuften "noblen Reichtum" mit "moralischer Eleganz" sozialverträglich nützt. Der verabscheuten Konsumverweigerung - gerade auch gegenüber (parteilpolitischen bzw. pseudokulturellen (Selbstllnszenierungen setzt er ein Haushalten mit der immer knapper werdenden Ressource einer aufmerksamen Zuwendung entgegen. Selektive Aufmerksamkeit und Wert-Schätzung setzt eine soziale Intelligenz voraus, die der Selbstentfremdung mit Selbstaufmerksamkeit und Selbstwertmaximierung begegnet. Kooperation in überschaubaren Einheiten ist die Grundvoraussetzung einer Verbindung zwischen Ethik und Ökonomie. Kann diese im Chaos einer unkontrollierbaren Bedürfnisbefriedigungsindustrie' eine unverzichtbare Selbstbeschränkung durchsetzen?

M.Rei.

Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München (u.a}: Hanser. 1998. 256 S., DM 36, - / sFr 34, 10/ öS 263,-