Umweltpolitik sei keine Frage der Moral, sondern eine der Motivation, ist der Aachener Psychoanalytiker Micha Hilgers überzeugt. Über den Erfolg künftiger ökologischer Politik werde wesentlich entscheiden, ob es gelingt, "vorstellbar zu machen, wie sich ein ökologisch sinnvolleres Verhalten in einem Gewinn an persönlicher Lebensqualität im Alltag ausdrücken könnte." (S.27).
Erhobene Zeigefinger mit moralinsauren Belehrungen seien kontraproduktiv: "Der Umstieg muß Spaß machen." (S. 26) Wie dies aussehen kann, macht der Autor vor allem an Beispielen aus dem Bereich Verkehr deutlich. Er betont. daß sinnvolle Verkehrspolitik nicht gegen die Mehrheit der Autofahrerinnen gemacht werden kann, nicht weniger als die notwendige Transformation öffentlicher Verkehrsbetriebe zu modernen Dienstleistungs- und Servicebetrieben, die auch einer entsprechenden Imagebildung bedürfen. Jenseits der Verzichtsmoral gehe es um "Werbung, Charme und Public Relations". Immer wieder streicht Hilgers die Bedeutung positiver Leitbilder und Szenarien heraus, welche den notwendigen Beschränkungen vorausgehen müssen: "Die Erfahrung, daß eine flächendeckende Verkehrsberuhigung den Biergarten um die Ecke zum Treffpunkt werden läßt, daß Städte zum Leben einladen können, schafft Akzeptanz für restriktive Maßnahmen und hilft die ,Sperre im Kopf' zu überwinden" (S.26).
In konkreten, lokalen Projekten und Initiativen sieht der Psychoanalytiker den Ausweg aus der“Ohnmachtsfalle" sowie ihrem Pendant, der”Größenidee des AIImachbaren" (S. 41): "Damit sind die ökologischen Katastrophen nicht gestoppt - aber die allgemeine Resignation erhält wirkungsvolle Gegenmittel." (S. 39)
Nicht zuletzt insistiert Hilgers darauf, jene sozialen Ängste ernstzunehmen, die die Menschen gegenwärtig hinsichtlich Arbeitsplatzverlust oder sozialem Abstieg bedrängen. Umweltverbände müßten sich viel stärker in sozialpolitische Auseinandersetzungen einmischen, um nicht "zwischen chicer Unverbindlichkeit und schwindendem politischen Einfluß" zerrieben zu werden: "Es ist die soziale Frage, die über die Zukunft der Ökologiebewegung entscheidet." (S. 73) .:. Die Ausführungen, die auf konkreten Erfahrungen des Autors in der Beratung von Umweltverbänden. Verkehrsbetrieben sowie kommunalen Entscheidungsträger beruhen, stellen eine wertvolle Argumentations- und Orientierungshilfe für Politik, KonsumentInnen und Umweltinitiativen dar.
H.H.
Hilgers, Micha: Ozonloch und Saumagen. Motivationsfragen der Umweltpolitik. Stuttgart (u.a}: Hirzel (u.a]. 1997. 196S., DM / sFr 38,- / öS 277,-