Der Mensch erweist sich nach Ansicht des Verfassers zunehmend als „Irrläufer der Evolution“. Eine ins Unermessliche gesteigerte Ausbeutung gefährdet nicht nur die eigenen Lebensgrundlagen, sondern verneint zugleich den Eigenwert der Natur. Deren Schönheit, weit mehr als arterhaltende Notwendigkeit, wäre genug, ihr unvereinnehmbare Rechte einzuräumen. Vertiefte Einsichten in Empfindungs- und Bewusstseinswerte von Pflanzen und Tieren - etwa das Phänomen des Mitleids fordern ein neues Verständnis natürlicher Zusammenhänge. Als vorläufigen Höhepunkt der Evolution, als einzig umfassend sprachbegabter Spezies ist es dem Menschen auferlegt, sich zum Sachwalter der Natur zu machen. Gegen -die mörderische Logik absoluter Destruktion« setzt Mynarek eine ökologische Religion. Sie ist Natur-Religion nicht nur, weil der Mensch unabdingbar als Teil der Natur erkannt wird, sondern umfassender, weil ihr an sich Sinn gegeben ist. Da Leben als »erkenntnisgewinnender Prozess« (Konrad Lorenz) zu verstehen ist, sind wir dazu aufgerufen, die Natur zu achten und zu schützen, um ihr so „zum Bewusstsein ihrer selbst“ zu verhelfen. Mit einer Ethik von »universaler Perspektive« hofft Mynarek die Negativa der Evolution korrigieren zu können. Da der Autor in allen Weltreligionen ein ökologisches Fundament ausmacht, meint er abschließend, mit seinem Konzept eines weltanschaulichen Idealismus zum Ende wie zur Überwindung aller Religionen beizutragen. Die Besinnung auf religiöse Werte mag die Oberwindung der Krise der Industriegesellschaft entscheidend fördern. Allerdings sind konkrete Handlungsanweisungen, wie sie u.a. Klaus M. Meyer-Abich entwickelt hat, in Anbetracht der akuten Bedrohung allen Lebens weit dringlicher. Das Vertrauen auf einen ökologischen Imperativ ohne eine ganzheitlichere Betrachtung der Ursachen, die die heutige ökologische Zerstörung forciert, ist entschieden zu wenig.
Mynarek, Hubertus: Ökologische Religion. Ein neues Verständnis der Natur. München: Goldmann, 1986. 280S.