Wahrlich ein Opus magnum hat der Salzburger Historiker Johannes Straubinger mit seinem dreibändigen Werk „Sehnsucht Natur“ vorgelegt, das der Geschichte von Natur- und Umweltschutz nachgeht. Auch wenn der Focus der Untersuchung auf Salzburg liegt, so machen die vielen allgemeinen politischen und kulturgeschichtlichen Bezüge die Lektüre über den lokalen Horizont hinaus höchst interessant. Zu Recht meint der Autor in der Einleitung, dass die Geschichte der Natur- und Ökologiebewegung auch als „Kulturgeschichte des ökologischen Bewusstseins“ gelesen werden kann (Vorwort, Bd. 1 o. S.).
In Band 1 („Die Geburt einer Landschaft“) geht Straubinger auf die unterschiedlichen Phasen der Naturaneignung – von der Renaissance über die Romantik bis ins Industriezeitalter –, auf die ersten Natur(schutz)bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie auf frühe Bemühungen zur Regelung von Naturressourcen (in den Bereichen Forstwesen, Jagd, Tier-, Vogel- und Pflanzenschutz) ein. Band 2, überschrieben mit „Ökologisierung des Denkens“, ist der Errichtung erster Naturschutzparks, der Technikeuphorie der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit nach 1945 sowie dem allmählichen Aufkommen von Umwelt-, Bürger- und sozialen Bewegungen seit den 1970er-Jahren mit besonderer Berücksichtigung der Anti-Atombewegung gewidmet. Günter Anders und Robert Jungk werden dabei in eigenen Kapiteln gewürdigt. Band 3 („Naturkatastrophe Mensch. Ende oder Wende“) stellt sich schließlich den neuen globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder nachhaltige Ressourcennutzung. In diesem Band wird auch die Institutionalisierung der Grünen Parteien nachgezeichnet.
Das umfangreiche Quellenmaterial sowie die vielen Querbezüge machen die Ausführungen zur spannenden und lehrreichen Lektüre. So gibt es etwa eigene Kapitel über Natursymbolik wie die Kulturgeschichte des Edelweiß (und seiner touristischen Vermarktung) oder die Bedeutung der Sonnenblume (in der Umwelt- und Antiatombewegung). Frühe Kritik an Landschafts- und Naturzerstörungen durch Industrialismus und Massenwohlstand wird ebenso dargestellt wie die Romantisierung und Verkitschung der Natur. Nicht ausgespart wird, was häufig verdängt wurde, nämlich der „Naturbezug“ im Nationalsozialismus sowie das Nahverhältnis zu diesem durch so manche Naturschützer. Als Beispiele bringt Straubinger den Salzburger Kunsthistoriker Hans Sedlmayer sowie den Umweltschützer aus erster Stunde Günther Schwab und dessen apokalyptisches Denken („Der Tanz mit dem Teufel“, „Morgen holt dich der Teufel“). Nicht zuletzt sind die vielen Belege um das politische Ringen für Natur- und Umweltschutz von Interesse, die das Werk zu einem wichtigen Beitrag zur noch jungen Disziplin der Umweltgeschichtsforschung machen. Straubinger datiert den Anfang der Umweltkrise nicht zu Unrecht in die Wirtschaftswunderjahre der „1950er-Jahre“. Denn soll das Leitbild der Nachhaltigkeit eine reelle Chance auf Umsetzung erhalten, gilt es – wie bereits bei Fred Luks deutlich geworden ist - die kulturellen Codes unserer Wachstums- und Konsumökonomie zu entziffern. H. H.
Straubinger, Johannes: Die Geburt einer Landschaft. Sehnsucht Natur, Bd. 1. Norderstedt: Books on Demand, 2009. 296 S.; ISBN 978-3-8391-0846-8
Ders.: Ökologisierung des Denkens. Sehnsucht Natur, Bd. 2 Norderstedt: Books on Demand, 2009.
280 S.; ISBN 978-3-8391-0890-1
Ders.: Naturkatastrophe Mensch – Ende oder Wende. Sehnsucht Natur, Bd. 3 Norderstedt: Books on Demand, 2009. 278 S.; ISBN 978-3-8391-0829-1
Preis pro Band € 29,90 [D], 30,80 [A], sFr 50,80