Ökologie und Frieden

Ausgabe: 1989 | 2

Altner begibt sich für die kritische Aufarbeitung unseres gegenwärtig desolaten Verhältnisses zur Natur auf die Reise in die Vergangenheit. Dort nämlich finden sich bereits die Weichenstellungen für unsere aktuelle Situation. Kritisiert wird die heute aus Überlebensinteresse vorschnell ausgerufene Versöhnung mit der Natur, "ohne in eine tiefe Aufarbeitung und Nachdenkarbeit eintreten zu wollen Vielmehr bedarf es einer Trauerarbeit im Sinne M. Mitscherlichs, "die uns in die Lage versetzt, zu einem neuen, lebendigen Umgang mit der Natur fähig zu werden". Diese zurückblickende Aufarbeitungsarbeit konkretisiert Altner an drei Beispielen. Zunächst geht es um den falschen theoretischen Netzwurf über die Naturgeschichte, wonach der Mensch eine Fehlkonstruktion sei (angezüchtetes Aggressionspotential, Zugrundegehen an den Fähigkeiten des Großhirns). In der Geschichte vom Goldenen Kalb spiegelt sich die "Verdrängung des Heiligen aus der Natur" wider und zugleich „der weit in die Zukunft vorausweisende Mythos von der Geburt des Willens im neuzeitlichen Sinne des Wortes/l. Das dritte Beispiel ("Von Galilei zur Atombombe") handelt über "die Welt als das Berechenbare, als die determinierbare, benutzbare Maschinell, der wir im neuzeitlichen Weltbild begegnen. Im Schatten der atomaren Zerstörungsmöglichkeiten spielt sich aber mehr und mehr ein neues Naturverständnis ein. Damit verbunden ist eine breite ethische Diskussion über den Eigenwert der Natur, womit nicht romantische Rückkehr in vortechnische oder vorwissenschaftliche Zeiten gemeint ist. Die Kriterien ökologischer Orientierung in Richtung Eigenwert der Natur faßt Altner in Form eines Katalogs zusammen. Insgesamt geht es "um eine sensible, tastende, Alternativen erwägende Steuerungskunst, die von ganz anderer Art ist als die flinken, vorschnell fixierten Fortschrittskonzepte von gestern Wichtig ist die Frage nach den Folgen einer neuen Fortschrittsverantwortung sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Ökologie, Naturwissenschaft und Technik. Mit R. Ueberhorst fordert er einen neuen Politikstil, "der das Denken in Alternativen, das Abwägen so oder so gearteter Lösungen öffentlich betreibt". Empfehlenswert wäre die Einberufung sogenannter Volksenquete-Kommission sowie die Einrichtung einer Technologie-Bewertungsstelle, vergleichbar dem Office of Technology Assessment. Jedenfalls benötigen wir im Vormarsch des Fortschritts, wie H. Jonas formulierte, Gnadenfristen. Die hier gemachten Vorschläge sind für Altner der einzige Weg, "wenn Überleben Ausdruck von Denken ist und Denken das Überleben der Menschheit und der irdischen Natur garantieren soll Gesellschaftskritik Ökologie.

Altner, Günter: Ökologie und Frieden. In: Informationsdienst Wissenschaft & Frieden. 7. Jg. (1989), Nr. 1,  S.3-8.