Neuen Medien & Multimedia-Industrie: Visionen & Wirklichkeit

Ausgabe: 1998 | 1

Der Autor, Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Technischen Hochschule Aachen, hat sich schon in seiner Dissertation 1996 mit dem Verhältnis zwischen den traditionellen Massenmedien und den Neuen Medien beschäftigt und legt nun eine aktualisierte Fassung dieser Arbeit vor. Als Soziologe steht er den Verheißungen der Multimedia-Industrie skeptisch gegenüber und hält sich lieber an die Empirie. Er beginnt mit einem Rückblick auf die klassische Medienkritik und stellt sie den Erwartungen gegenüber, die mit den Neuen Medien verbunden werden; danach gibt er einen Überblick über aktuelle Positionen der Medienforschung und versucht eine Korrektur der häufig anzutreffenden einseitigen Konzentration auf den Kommunikator bzw. den Rezipienten. Im weiteren untersucht er den oft prognostizierten Bedarf für die Neuen Medien auch im privaten Bereich und weist auf mögliche Überschätzungen dieser Entwicklung hin.

Darauf folgt eine eingehende Auseinandersetzung mit den Vorwürfen an die herkömmlichen Massenmedien, sie führten zu Vereinzelung und ”Massifizierung": demgegenüber seien auch entlastende und kooperative Leistungen feststellbar. lnsgesamt kommt Wehner aufgrund dieser Analysen zur Einschätzung, daß vor allem zwei Annahmen über die Entwicklung der Neuen Medien unhaltbar sind: daß zum einen die elektronischen Netze zu einer Revitalisierung dialogischer Kommunikationsformen führen und daß zum anderen durch die technisch nun mögliche Mehrwegkommunikation die passive Nutzung der Massenmedien von einer interaktiven Beteiligung an einem partizipativen Massenkommunikationssystem abgelöst werden würde. Vielmehr sieht er eine ganze Reihe von Funktionen der "alten" Massenmedien, die von den Neuen Medien nicht ausgefüllt werden können. Es werde daher nicht zur Ablösung der traditionellen Massenmedien kommen, sondern zu ihrer Ergänzung durch interaktive Medien und damit zu einer weiteren Expansion und Differenzierung des Mediensystems.

Eine Arbeit, die sich bei hohem theoretischen Niveau angenehm von den vielen unkritischen Heilsprognosen über die totale Kommunikationsgesellschaft abhebt.

W R.


Wehner, Josef: Das Ende der Massenkultur? Visionen und Wirklichkeit der neuen Medien. Frankfurt tu. a.): Campus, 1997. 222 S., DM 48, - / sFr 46, - / öS 350,-