Neue Herausforderungen an Friedens- und Konfliktforschung

Ausgabe: 1995 | 3

"Die zentrale Herausforderung der Friedens- und Konfliktforschung ist die Untersuchung von Möglichkeiten, Gewaltkonflikte frühzeitig zu vermeiden sowie Strategien und Mechanismen zu ihrer zivilisierten Regelung oder Lösung zu entwickeln." Soweit die Zielformulierung einer dem vorliegenden Band angeschlossenen gemeinsamen Erklärung der Arbeitsgemeinschaft für Frieden und Konfliktforschung anläßlich deren 25jährigen Bestehens. 32 AutorInnen gehen diesem Ziel, den Bedingungen des Friedens und den Wegen, diesen zu erreichen, nach.

Die Bandbreite ist groß: So wird das von Dieter Senghaas entwickelte "zivi lisatorische Hexagon", das Rechtsstaatlickeit, Gewaltmonopol, demokratische Partizipation, Konfliktkultur, soziale Gerechtigkeit und Affektkontrolle als Parameter friedensstabiler Gesellschaften benennt, ebenso kontrovers diskutiert wie das Spannungsverhältnis zwischen ziviler Konfliktbearbeitung (etwa Andreas Buro) und Militärintervention (Gert Krell).

Die Rolle supranationaler Organisationen wie jene der UNO in einer historischen Phase der Gleichzeitigkeit von politischer Integration und Fragmentierung wird grundsätzlich (etwa Michael Zürn) und an konkreten Fallbeispielen wie Somalia (Volker Matthies) oder den Krisenherden in der GUS (Ahmad Mahrad) erörtert. Kritik erfährt die Militarisierung der deutschen Außenpolitik im Zuge des Neo-Interventionismus (Ulrich Albrecht, Wolfram Wette), als Ausweg wird eine strikte Defensivierung der Sicherheitspolitik (etwa Lutz Untersehen) vorgeschlagen. Nicht zuletzt werden Rechtsextremismus und Rassismus als neue Herausforderungen für den inneren Frieden thematisiert. etwa im die sozialen Entstehungsbedingungen rechtsextremer Gewalt erhellenden Beitrag von Änne Ostermann oder jenem die Grenzen und Chancen friedenspädagogischer Strategien gegen Rechtsextremismus auslotenden von Brigitte Reich.

Ein eigenes Kapitel dieser umfangreichen Textsammlung ist der Theoriearbeit der Friedensforschung gewidmet, wobei u. a. der Bezug zum Friedenshandeln (Dieter Kinkelbur). zur ökologischen Frage (Günther Bächler) sowie zum Feminismus (Tordis Batschneider) hergestellt wird. Zusammenhänge zur Zukunftsforschung stellt Peter Krahulec mit seinen Ausführungen zur “alltagsfriedensforschung" her, wenn er in Anlehnung an Gerd Gerken für Dezentralisierung und wechselseitige Abhängigkeiten plädiert. Der vorliegende Band - das läßt sich ohne Abstriche sagen - beweist eindringlich, daß die Friedensforschung als Wissenschaftsdisziplin ihre Berechtigung hat, was an den Universitäten wohl noch mehr als bisher zur Kenntnis genommen werden müßte.

H. H.

Frieden als Zivilisierungsprojekt. Neue Herausforderungen an die Friedens- und Konfliktforschung. Hrsg. v. Wo/fgang R. Vogt. Baden-Baden: Nomos, 1995. 368 5. (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung e. V AFK; 21) DM 49,-/ sFr 49,-/ öS 382,50