Perspektiven für eine zivilisierte Weltentwicklung

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Johan Galtung, Begründer einer umfassenden Theorie der Gewalt, ist zugleich wohl einer der kreativsten Friedensforscher, der eine für viele unkonventionelle Analyse der Weltentwicklung mit praktischen Vorschlägen für die Bearbeitung konkreter Konflikte zu verbinden vermag. In den hier versammelten, bis auf einen Essay zur NATO-Osterweiterung erstmalig in deutscher Sprache publizierten Beiträgen - die aktuelle Zusammenstellung ist Hajo Schmidt zu danken - beschreibt Galtung zunächst eine Politik der Friedensarbeit, die Aufgabe der Friedensforschung (von der Diagnose über die Prognose hin zur Therapie) sowie eine mögliche neue Rolle des Militärs in der Friedensbewahrung. In der Folge deutet er die Geopolitik nach dem Kalten Krieg als Problem eines „Agendaverlustes“ (Sozialismus als Zukunftsversprechen auf der einen, Kampf gegen diesen auf der anderen Seite haben ihre Bedeutung verloren) und prognostiziert eine multipolare Welt für das 21. Jahrhundert mit den USA, der EU, Rußland, Türkei, Indien, China und Japan als neuen Hegemonialmächten und spezifischen Anliegen. Hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung unterscheidet Galtung fünf Wege, denen er fünf Farben zuordnet. Der Sozialismus (rot) war bestimmt von Staat, Plan und Bürokratie, der Liberalismus/Kapitalismus (blau) ist bestimmt von Kapital, Markt und Konzernen, dazwischen liege die Sozialdemokratie europäischer Prägung (rosa). Der Japanismus (gelb) hingegen verbinde Staat und Kapital, Plan und Markt, Bürokratie und Konzerne. Den fünften Weg, noch beheimatet in der „Dritten Welt“, bezeichnet Galtung als grün, er sei lokal orientiert, Familie, Dorf und Peergroup seien seine wichtigsten Bezugspunkte.

Der Friedensforscher macht kein Hehl daraus, daß er diesem  mit Anarchismus, Gandhismus oder auch Maoismus verbundenen „grünen“ Weg noch immer Entwicklungsperspektiven abgewinnt, da das gegenwärtige „Zeitalter der Händler“, das jenes der Militärs (Kalter Krieg) abgelöst habe, keineswegs in der Lage sein werde, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu stillen, geschweige denn diesen ein zufriedenes Dasein zu ermöglichen und die Erde in einem ökologischen Gleichgewicht zu halten. Galtung rechnet mit Aufständen gegen das Marktsystem an vielen Punkten der Welt, zugleich hofft er auf neue lokale Bewegungen sowie international vernetzte NGOs.

H. H.

Galtung, Johan: Die andere Globalisierung. Perspektiven für eine zivilisierte Weltgesellschaft im 21. Jahrhundert. Münster: Agenda-Verl., 1998. 252 S., DM 29,80 / sFr 29,80 / öS 232,50