Das politische Institutionengefüge ist auf die neuen Bewährungsproben nationalistischer und separatistischer Art nicht vorbereitet. Der Autor vertraut auch nicht auf ein politisches Bewusstsein, das automatisch zu wachsender Gelassenheit z. B. in Fragen staatlicher Sicherheit führen würde. Stattdessen fordert Wehner neuartige politische Verfahren, um Friedenssicherung in Zukunft zu gewährleisten. Er selbst versteht seinen Entwurf einer alternativen Staatenordnung als „Konstruktionsskizze ". die die Abkehr vom Universalstaat erleichtern sollte und im Übrigen in der Sacharbeit schon zum Teil vollzogen ist. Nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte der Grenzenbildung in Europa geht Wehner auf den diesbezüglichen Bedeutungswandel und die gegenläufigen Entwicklungen in West und Ost ein. Er empfiehlt die inner- und zwischenstaatliche Kooperation auf demokratischer Grundlage. Dies zielt darauf ab, "dass Solidar-, Effizienz-, Traditions- und Identifikationsgemeinschaften sich unabhängig voneinander ausbreiten und verkleinern können". Ähnlich dem Prinzip der Trennung von Kirche und Staat schwebt ihm dabei eine Ablöse der staatlichen Gesamtzuständigkeit vor. Unzeitgemäße Zwangsmitgliedschaften, die sich aus dem Universalstaatsprinzip ergeben, müssten hinterfragt werden. Wehner plädiert weiters für die Wiederaufwertung der Solidaritätsfrage in Zeiten der Verschärfung gesellschaftlicher Wohlstandsdiskrepanzen. Zur Finanzierung von Solidargemeinschaften hält er ein sogenanntes „Bürgergeld " für geeignet, ein Sockeleinkommen, "das der Solidarstaat allen Bürgern regelmäßig in gleicher Höhe auszahlt, und zwar unabhängig vom Alter, vom Erwerbsstatus und sonstigen Lebensumständen". Die hier vorgetragene grundlegende Umgestaltung politischer Institutionen und Entscheidungsverfahren (vgl. dazu PZ 2/92* 172) besitzt zweifellos utopischen Charakter, dessen Verwirklichung noch nicht absehbar ist. Die gehaltvollen Argumente sind jedoch durchaus diskussionswürdig. AA.
Wehner, Burkhard: Nationalstaat, Solidarstaat, Effizienzstaat. Neue Staatsgrenzen für neue Staatstypen. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1992. 162 S. (WB-Forum; 73); DM 24,80 / sFr 21,-/ öS 193,40