Nachhaltiger Genuss durch Änderung des Lebensstils

Online Special

Die Bücher über Nachhaltigkeit füllen mittlerweile ganze Umweltbibliotheken. Das vorliegende unterscheidet sich von der Mehrzahl dieser durch seine faszinierende Konkretheit. Und dabei gelingt es dem Autor, Handlungsmöglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit aufzuzeigen, ohne auf die Moraldrüse zu drücken. Vielmehr macht das Buch Lust auf eine andere Art zu leben. Dan Jakubowicz - er ist Mitglied der Gruppe SOL (Verein “Menschen für Solidarität, Ökologie und Lebensstil”, ehemals Friends of the Earth Österreich) und hat an der Studie “Sustainable Europe” mitgearbeitet - verfällt auch nicht der Gefahr, Veränderung auf den individuellen Wandel von Lebensweisen zu reduzieren, sondern sieht auch die Notwendigkeit politischer Reformen. Er macht klar, daß neue Lebensstile und ökologisches Verhalten eine angemessene Verteilung des Reichtums erfordern. Wer an der Armutsgrenze lebt, kann nicht von Zeitwohlstand und Weniger-Konsumieren träumen.

Doch - und das macht das Buch auch deutlich - die Mehrheit der Menschen in den Wohlstandsländern lebt in noch nie da gewesenem materiellen Reichtum. Daß dieser nicht nachhaltig sein kann und wie er mit der Armut in den Ländern der Dritten Welt zu tun hat, zeigt Jakubowicz an zahlreichen Beispielen. Zwei Nachhaltigkeitsgrößen dienen ihm dabei als Richtschnur: Der vom weltweit verfügbaren fruchtbaren Boden auf die derzeitige Weltbevölkerung hochgerechnete, jedem Menschen zustehende “Umweltraum” von 1500 Quadratmetern jährlich bzw. 4 Quadratmetern pro Tag (Ackerland und Weideflächen). Und zweitens das jedem Menschen zustehende CO2-Budget, das der Ökologe mit 2 kg pro Tag veranschlagt (entspricht der laut Forschung verkraftbaren Durchschnittserwärmung der Erde um 0,01 Grad C pro Jahr.)

Anhand der Bereiche Ernährung, Kleidung, Wohnen und Urlaub sowie Konsum und Arbeit zeigt Jakubowicz nun, wie wir über unsere Verhältnisse leben und wie wir unter Zugewinn an Lebensqualität Veränderungsschritte in Richtung Nachhaltigkeit setzen können. Er kommt dabei auch zu überraschenden Ergebnissen, etwa die Transportwege unserer Nahrungsmitteln überschätzt und jener, den wir für das Einkaufen aufwenden, unterschätzt wird.

Die Grundaussage des Autors, die er sehr anschaulich auch immer wieder mit Zahlen belegt, lautet: “Weniger ist oft mehr.” Weniger, dafür aber besseres Fleisch essen; weniger, aber qualitativere Kleidungsstücke besitzen; weniger arbeiten und dafür auch weniger Konsumgüter erwerben (analog dem “Negawatt”-Prinzip im Energiebereich spricht der Autor von “Negaschillingen” - Geld, das ich nicht  ausgebe, brauche ich auch nicht zu verdienen). Überlegtes Kaufen, Dinge selber reparieren, einem Tauschkreis beitreten, Freizeit als Muße begreifen, anders Wohnen (“Wohnprojekte als wohldosierte Gemeinsamkeit”) und schließlich anders Reisen - all dies sind für Jakubovicz Wege zu mehr Nachhaltigkeit. Diese führten schließlich auch zu mehr sozialen Kontakten, was wiederum Ersatzbefriedigungen durch Konsum erübrige: “Mit einem Satz: besser leben - besser: leben!” Bleibt nur hinzuzufügen:

Ein Buch, das lohnt, gelesen zu werden.

H. H.

Jakubowicz, Dan: Genuß und Nachhaltigkeit. Handbuch zur Veränderung des persönlichen Lebensstils. Wien: Promedia, 1999. 158 S.; DM 26,- / sFr 24,- / öS 190,-