Mitgefühl in der Wirtschaft

Ausgabe: 2016 | 4
Mitgefühl in der Wirtschaft

singer_ricardEine Begegnung von Wirtschaft, Wissenschaft und buddhistischen DenkerInnen unter Vorsitz des Dalai Lama ermöglichte eine Tagung des in Zürich ansässigen „Mind and Life Institute“. Die Vorträge und Gespräche sind nachzulesen in dem Band „Mitgefühl in der Wirtschaft“. Thematisiert werden Ergebnisse der Neurowissenschaften (Tania Singer, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, referiert Ergebnisse eines Forschungsprogramms an der Universität Zürich über kooperatives Verhalten), der Mikroökonomie (Ernst Fehr schildert Experimente, die zeigen, dass Menschen bei gesellschaftlichen Interaktionen nicht nur auf Eigennutz, sondern auch auf Fairness achten) oder der Glücksforschung, deren Befunde der britische Ökonom Richard Layard erläutert. Die Ausführungen sollen zeigen, dass Altruismus im Menschen angelegt sei und dass Meditation dabei helfen könne, eine offene Haltung gegen über der Mitwelt zu entwickeln. Eine „buddhistische Ökonomie“ basiert auf Großzügigkeit und Schenken, so der Philosoph John Dunne, diese gäbe es freilich nur mehr bei einigen, einfach lebenden buddhistischen Dorfgemeinschaften in Indien. Die Anhäufung von Besitz führe zu Gier und  Egoismus, auch in „buddhistischen“ Ländern. Die im Schlusskapitel „Einführung des Prosozialen in Wirtschaftssysteme“ geschilderten Beispiele beziehen sich daher auch überwiegend auf Entwicklungsprojekte in nichtkapitalistischen Strukturen, etwa das Barfoot College in Indien, das Dörfer im Aufbau von Solarsystemen unterstützt, oder die Mikrokreditbewegung (im Buch geschildert von Arthur Vayloyan vom Unternehmen Credit Suisse, das in diesen Bereich eingestiegen ist). Mehrfach wird die berechtigte Frage aufgeworfen, wie ein anderes Wirtschaften auf größerer Ebene umgesetzt werden könne. Der Dalai Lama hofft auf Bildung und einen Bewusstseinswandel hin zu immateriellen Werten, der seit der Jahrtausendwende immer mehr Menschen in den Konsumländern erfasse. William George von der Havard Business School plädiert für neue  Führungspersönlichkeiten in Unternehmen, die sinnvolles Tun vor alleiniges Schielen auf Profit stellen. Auch er setzt auf die junge Generation, nachdem die alte Managerriege weitgehend versagt habe. Vage bleiben (leider) die Antworten auf neue politische Regeln, die etwa der Ökonom Ernst Fehr in einer der Diskussionen eingefordert. Insgesamt jedoch stellt der Band eine Bereicherung für die Suche nach neuen Wirtschaftsethiken und –modellen dar, wie sie etwa die an anderer Stelle dargelegte Bewegung der Gemeinwohlökonomie versucht. Hans Holzinger

Bei Amazon kaufenSinger, Tania; Ricard, Matthieu: Mitgefühl in der Wirtschaft. Ein bahnbrechender Forschungsbericht. Mit Beiträgen v. Dalai Lama u.a.m.. München: Knaus, 2015. 256 S., € 16,99 [D], 17,50 [A] ; ISBN 978-3-8135-0657-0