Mit Gentechnik die Schöpfung verbessern?

Ausgabe: 1998 | 1

Mit den Möglichkeiten der Gentechnik eröffnet sich eine Zukunft der wirksamen Bekämpfung genetisch bedingter Krankheiten bei Mensch, Tier und Pflanzen - soweit die Versprechungen der Gentechnikindustrie. Was uns wirklich erwartet, kommt in diesem Buch klar und deutlich zur Sprache. Man könnte auch sagen: Der zweite Sündenfall der von der Großindustrie in Dienst genommenen technikrelevanten Naturwissenschaften, nach dem Projekt der Atomtechnik nun die Gentechnik.

Deutlich wird das naturwissenschaftliche Dogma erschüttert, wonach die Gene allein bestimmen. Ausschließlich genetisch bestimmte Lebewesen - gäbe es sie tatsächlich - unterlägen schnell der "kulturellen Selektion". Ist es einer Gesellschaft zumutbar mit dem Risiko der erblich bedingten Krankheit behaftete Menschen versorgen zu müssen? Ist es nicht viel zielführender, die Menschheit genetisch zu "optimieren'? Die Betreiber und Profiteure der Gentechnik haben Position bezogen: Das was wir an nationalsozialistischen Experimenten zur ,,Verbesserung" der menschlichen Rasse für verabscheuungswürdig halten, kommt durch die Gentechnik sanft und unspektakulär unter dem Deckmantel des lauteren Humanismus demnächst zur Anwendung: Es beginnt mit der vorgeburtlichen Diagnostik und führt zur Keimbahntherapie, in der das "Kind nach Katalog" und der "Mensch nach Maß" produziert werden soll.

Tiere werden als Organspender gezüchtet, und die Diskussion, ob menschliche Embryonen ohne Gehirn herangezogen werden sollen, um die Bestände der Organbanken aufzufetten, neigt sich mehr als bedenklich zu einem "Jawohl!". Und wer möchte die Gesetzgebung wirksam beeinflussen, wenn das Klonieren gesellschaftlich mehrheitlich gewünscht wird? Zudem ist der Einzug der Gentechnik u.a. in die Nahrungsmittelerzeugung in vollem Gang und wird sich bestenfalls noch gesetzlich steuern lassen. Um die Strategien der Gentechnik-Betreiber auch im öffentlich-politischen Diskurs abzusichern, wurden und werden sogenannte Bioethik-Kommissionen eingesetzt. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um redlich geführte Auseinandersetzungen zwischen Vertretern einer philosophischen Ethik und Gentechnik-Betreibern, sondern um strategische Durchsetzungsdiskurse, bei denen die Richtung von vornherein klar ist: Gültig und für die Menschheit zielführend sei allein das Vertrauen in den naturwissenschaftlichen Fortschritt.

In den Beratergruppen geht es nicht um die Diskussion „fundamentalistischer und wirklichkeitsferner Positionen", wie z.B. die Würde des Menschen, sondern um die "Schaffung von Akzeptanz für die Gentechnologie und zur Verwirklichung eines einheitlichen Marktes für die Gentechnologieprodukte". Diese Grundsätze einer autoritären Technokratie lassen ahnen, wie der demokratische Grundkonsens unmerklich aber wirksam aufgelöst werden wird und wie in Hinkunft Patentanwälte des Lebens bestimmen werden, welchen Weg die Entwicklung des Lebens auf diesem Planeten gehen wird.

G. W


Die Schöpfung verbessern? Möglichkeiten und Abgründe der Gentechnik - ein Weg ohne Umkehr? Hrsg. v. Bart Maris. Stuttgart: Urachhaus- Verl., 1997. 232 S., DM  29,80/  sFr 27,50 / öS 218,-