Nouriel Roubini

Megathreats

Ausgabe: 2023 | 3
Megathreats

Schon in den kommenden zwei Jahrzehnten wird jede Menge schief gehen auf diesem Planeten. Das sagt Nouriel Roubini, emeritierter Professor von der Stern School of Business der New York University. In seiner Publikation „Megathreats“ listet er Entwicklungen auf, die ihm Sorgen bereiten. Wobei „Sorgen“ ein verharmlosender Begriff ist: „Diese lange Phase des relativen Wohlstands neigt sich heute leider dem Ende zu. Die Epoche der Stabilität endet, und eine Zeit der akuten Instabilität, des Konflikts und des Chaos bricht heran. Wir sehen uns Bedrohungen gegenüber, wie sie die Menschheit noch nie erlebt hat – und diese Bedrohungen hängen eng miteinander zusammen“ (S. 11).

Wechselwirkung der Bedrohungen

Eine erste Quelle für Roubinis Pessimismus ist die Höhe der Verschuldung. Diese sei seit 2016 in beispielloser Geschwindigkeit angestiegen. „Die Mutter aller Schuldenkrisen könnte uns in diesem oder im kommenden Jahrzehnt treffen“ (S. 21). Wenn Schulden und ihre Zinsen nicht mehr bedient werden können, werde dies mehr noch als 2008/09 eine schwere Rezession auslösen, der verschuldete Haushalte, Unternehmen, Banken und auch Staaten nicht standhalten könnten. Die Pleiten werden von einer Branche zur anderen springen.

Das werde strukturell verschärft durch ein Ende des Bevölkerungswachstums und dem damit verbundenen Steigen des durchschnittlichen Alters der Bevölkerung. Die Pensionslasten werden zu ernsten Problemen führen. Denn die Versprechen an in Zukunft in Pension gehende Personen seien zum aktuellen Schuldenstand der Staaten zu addieren. In den USA betrage die offizielle Staatsverschuldung elf Billionen Dollar, rechnet man die Verpflichtungen an zukünftige Generationen mit ein, liege sie bei 211 Billionen (vgl. S. 67).

Sehr nahe liege, dass man vor diesem Hintergrund in das nächste große Problem stolpere, nämlich in die Ausweitung der Geldmenge. „Billiges Geld und lockere Haushaltpolitik bewahren uns nicht vor Boom-and-Bust-Zyklen, sondern führen uns in einen Superzyklus der Überschuldung“ (S. 112). Vor allem eine Haushaltskrise der USA könnte Auswirkungen auf das Weltwährungssystem haben. Der US-Dollar könnte seine Rolle als Welt-Reservewährung verlieren, während keine anderen Währungen als Alternative zur Verfügung stünden. Protektionismus als Antwort auf die Krise würde den Wettbewerb und damit die Produktivität unterlaufen.

Das ist noch nicht alles. Künstliche Intelligenz macht immer mehr Arbeitsplätze verzichtbar. Ein neuer Kalter Krieg zwischen den USA und China führt zu Machtverschiebungen, die Konfliktpotenzial in sich bergen. Der Klimawandel schließlich stellt in Frage, ob der Planet überhaupt noch lange für Menschen bewohnbar bleibt.

Hoffnung auf Wachstum und Technik

Nach 331 Seiten mit Katastrophenszenarien wendet sich der Autor besseren Perspektiven zu. Für ihn sind Wirtschaftswachstum, Grundeinkommen und technologische Innovationen sowie deren vernünftige politische Steuerung die Kernherausforderungen. Man benötige Steigerungsraten von fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes, damit die Industrienationen ihre bedrohliche Schuldenlast abbauen können. Damit könne man auch die Ressourcen schaffen, um kostspielige öffentliche Projekte zur Bekämpfung des Klimawandels, der technologischen Arbeitslosigkeit oder künftiger Pandemien zu finanzieren. Es würde politische Spannungen und Auseinandersetzungen lindern. Klar, dieses Wachstum ist nur denkbar, wenn gleichzeitig der Ausstoß von Treibhausgasen drastisch verringert würde. Roubini hofft hier auf Technologien. Er erwähnt die Kernfusion. Aber: „Niemand weiß, ob ein solcher Durchbruch auf dem Gebiet der Kernfusion jemals erzielt werden wird, doch aktuelle Experimente machen zumindest Hoffnung“ (S. 334). Die erneuerbaren Energien werden noch konkurrenzfähiger, wenn die Wissenschaft neue Möglichkeiten zur Speicherung der Energie findet.

Roubini glaubt, dass Lohnarbeit in Zeiten der Robotisierung und der Künstlichen Intelligenz dringend durch ein neues Einkommensregime begleitet werden muss. „Der Verlust einer ‚würdevollen Arbeit‘ provoziert vermutlich weniger Protest, wenn Einkommensergänzungen die Tür zu neuen Formen der Selbstverwirklichung öffnen“ (S. 337).