Mit Mächtige Gefühle wirft die Historikerin Ute Frevert einen für viele Leser:innen nach wie vor ungewöhnlichen Blick auf die jüngere deutsche Geschichte. Die Autorin ist als Direktorin des Forschungsbereiches „Geschichte der Gefühle“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin geradezu dafür prädestiniert, das immer noch neue Forschungsgebiet der Emotionsgeschichte breitenwirksam in einem zeitlichen Längsschnitt zu verhandeln. Ausgehend von der Frage nach der Wirkmacht von Gefühlen in der Geschichte und deren rückwirkender Prägung durch die Geschichte, analysiert Frevert nicht nur Vergangenes, sondern nimmt immer wieder auch die Gegenwart in den Blick. Gerade am Beispiel der Debatten um den Umgang mit der Covid-19-Pandemie wird dann auch sehr deutlich, wo die Stärken eines emotionsgeschichtlichen Zugangs zur Gesellschaft(sgeschichte) liegen können.
Die Autorin hat sich bewusst gegen eine chronologische Gefühlsgeschichte entschieden und ihr Werk stattdessen als ein (alphabetisch geordnetes) „Lexikon der Gefühle“ angelegt. Dieser Aufbau hat durchaus seinen Reiz, ermöglicht er so doch sowohl ein gezieltes aber gleichzeitig auch kursorisches Lesen ihrer Arbeit. Andererseits liegt in dieser Entscheidung auch eine der Schwächen des Buches, denn die Gründe für die Auswahl genau jener zwanzig Gefühle – rangierend in einem Spektrum zwischen „Angst“ und „Zuneigung“ –, die das Herzstück von Freverts Arbeit bilden, bleiben unklar. Das abrupte Ende der Publikation liegt dementsprechend dann wohl auch daran, dass es durch diese doch eher willkürliche Auswahl nur schwer realisierbar gewesen wäre, ein zusammenführendes Ergebnis der Analyse zu bewerkstelligen. Nichtsdestoweniger hätte der Versuch eines Resümees der vielen bemerkenswerten Beobachtungen und Analysen Freverts dem Buch sicher gutgetan.
Wie der Untertitel des Buchs deutlich macht, liegt das Forschungsinteresse Freverts vor allem in der deutschen Geschichte des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Viele der Argumente und Ergebnisse, die sie in ihrem lesenswerten Buch herausarbeitet, können aber sehr wohl auch Denkimpulse für unser Verständnis anderer epochaler oder geographischer Settings liefern, gerade auch wenn es um die vielfältigen Bezüge und Verflechtungen zwischen Politik und Emotion geht.