Lebensrhythmus und flexible Arbeitszeit

Ausgabe: 1989 | 4

Unter dem Motto "Auf der Suche nach der gewonnenen Zeit" diskutierten auf Einladung der Böckler-Stiftung und der DGB-Gewerkschaften Wissenschaftler, Künstler, Gewerkschafter und Kirchenvertreter die Entwicklung hin zu einer "Rund-um-die-Uhr" -Gesellschaft. Perspektiven einer künftigen Arbeitsgesellschaft drehen sich um Güter- und/oder Zeitwohlstand, um Erweiterung der Warenkonsumtion oder die Verfügbarkeit von (selbstbestimmter) Eigen-Zeit". Bisher enden die Überlegungen zur Zukunft der Zeitordnung meist dabei, Arbeitszeitverkürzungen als Realisierung eines Zeitwohlstands anzusehen. Seit Mitte der 70er Jahre vollziehen sich jedoch weltweit Umbrüche und Veränderungen in den Produktionskonzepten. Neue Produktionsstrategien des "Computer-integrated-manufacturing" und Logistikkonzepte von .just-in-time" haben zur Folge, daß der gesellschaftliche Zeit- und Lebensrhythmus zwischen Aktivität und Ruhe zur Disposition gestellt wird. Dadurch entfallen sogenannte Rekreations-Zeiten – wichtige ”Zeit-Räume" - für Mensch und Umwelt. Für die Zukunft zeichnen sich neue Disparitäten zwischen Zeitgewinnern und -verlierern ab. Zeitgewinner sind v.a. Spezialisten und jene, die im Normalarbeitsverhältnis zur Kernbelegschaft zählen. Die Verlierer stehen ebenfalls bereits fest: Gegenwärtig stehen zwei Millionen Arbeitslose einer Überstundenzahl von 1,5 Milliarden gegenüber. Die Autorin betont die Notwendigkeit der Auflösung starrer Zeitstrukturen und fordert, "die bisherige Logik industrialisierter Arbeits- und Lebensweise einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, ehe es zu spät ist". Ein Wandel zur ökologischen Industriegesellschaft wird ohne" Entschleunigung" nicht stattfinden.

Schuchardt, Wilgart: Wenn der Lebensrhythmus nicht so flexibel ist wie die Arbeitszeit. Die Zeit einer Gesellschaft darf nicht nur nach ökonomischen Kriterien eingeteilt werden. In: Frankfurt.er Rundschau. 1989, Nr. 217 v. 19.9., S. 10   

 

Weiterführende Literaturhinweise:

  • Gleichfalls zum Thema: Lesebuch zum 6-Stunden-Tag. Hrsg. v. Ingrid Kurz-Scherf. Hamburg: VSA-Verl., 1987.
  • Eine Darstellung verschiedener Ansätze zu Zeitbetrachtung und Zeitbewußtheit - ausgehend von der zeitlichen Grunderfahrung, bis zur Unterscheidung von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft - bietet: Wendorft, Rudolf: Der Mensch und die Zeit. Ein Essay. Opladen: Westdt.-Verl., 1988. 181 S.