Globalisierung ist mittlerweile zum Angstbegriff geworden, und manchesmal wohl auch zur Ausflucht vor zu lösenden Problemen. Welche institutionellen Reformen sind national und international notwendig, um den Globalisierungsprozeß (wieder) politisch gestaltbar zu machen? Dieser Frage sind die 37 Beiträge des heurigen Jahrbuchs "Arbeit und Technik" gewidmet. welches in bereits gewohnter Gründlichkeit von den Mitarbeitern des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung Else und Werner Fricke betreut und herausgegeben wird. Die Krisensymptome der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Transformationen - 35 Mio. Arbeitslose in den OECD-Ländern. weltweit über 1 Mrd. Menschen ohne oder mit zu geringer Beschäftigung, bereits 1 Mio. Obdachlose allein in der BRD - werden nicht geleugnet dennoch überwiegen optimistische Ansätze, die wohltuend über den nationalen Tellerrand hinausblicken. So definiert Hartmut Elsenhans Experte für Internationale Beziehungen, Globalisierung als zunehmende Konkurrenzfähigkeit der Niedriglohnländer. Die Aufgabe liege darin, diese auszubauen. An anderer Stelle werden die Grenzen der Globalisierung sowie der nur bedingte Zusammenhang von niedrigen Lohnkosten und Auslandsinvestitionen, denen meist die Sicherung neuer Absatzmärkte zugrunde liege, dargestellt. Den Blick auf die globale Herausforderung einer Grundversorgung der 5,7 Mrd. Menschen, die derzeit auf der Erde leben (im Jahr 2020 werden es 8 Mrd. sein) lenken Michel Windfuhr, der von NGO-Bemühungen zur Umsetzung des "Rechts auf Nahrung" (FAO-Konferenz in Rom 1996) berichtet. sowie Ricardo Petrella mit seinem Vorschlag eines "globalen Gesellschaftsvertrages", der als prioritäres Ziel die Sicherung des Zugangs zu Trinkwasser und Lebensmitteln für alle Menschen vorsieht. Anstelle der geplanten internationalen Daten- und Kommunikationsnetze sollen, so der Präsident der "Gruppe von Lissabon", Wasserleitungen gebaut werden. Der Band wartet aber auch mit Vorschlägen zur Bewältigung der sozialen Krisen in den ”reichen" OECD-Ländern auf. Neben einer Beschäftigung sichernden Geld-, Lohn- und Fiskalpolitik (u.a. Hengsbach, La Fontaine, DIW-Mitarbeiter H. Trabold) wird auch ein neues Bild einer Vollbeschäftigung skizziert, die sich durch flexible Übergänge zwischen Arbeit. Bildung, Karenz und Alter und eine "durchschnittliche 30h-Woche" (G. Schmid vom WZB) auszeichnet. Nicht zuletzt wird nach Perspektiven wirksamer transnationaler Politik und nach Wegen ”postnationaler Demokratie" Ausschau gehalten. Dabei firmiert der Nationalstaat nicht in allen Beiträgen als überholtes "Kind des Westfälischen Friedens" (so die Auffassung von Stephen Toulmin, der die global tätigen NGOs als Vorbild für neue Weltvernetzungen darlegt), es werden nach wie vor nationale Gestaltungsräume gesehen, aber auch die Gefahren eines "regressiven Populismus", "der die Schuld für die sozialen Umwälzungen, die von einem sich selbst überlassenen internationalen Markt ausgehen, auf exzessive Einmischung internationaler Organsiationen in nationale Angelegenheiten schiebt" (Wolfgang Streek, S. 324). Die aufkeimenden neonationalistischen Bewegungen gegen Maastricht-Europa sind hierfür wohl ein anschauliches Beispiel. H. H.
Globalisierung und institutionelle Reform. Jahrbuch Arbeit und Technik 1997. Hrsg. v. Werner Fricke. Bonn: Dietz. 1997. 440 S.