Omri Boehm

Israel – eine Utopie

Ausgabe: 2021 | 1
Israel – eine Utopie

Man könnte von einer „Republik Haifa“ sprechen, sagt Omri Boehm. Viel zu lange sei die Strahlkraft dieser Stadt als Symbol für die Zukunft Israels durch andere Städte überschattet gewesen. „Es sind die Krankenhäuser in Haifa, darunter einige der besten des Landes, in denen arabische und jüdische Ärzte gemeinsam die stark gemischte Bevölkerung des Nordens behandeln – arabische und jüdische Patienten liegen hier Seite an Seite. Es ist die Universität Haifa, an der sich besser als an jeder anderen Universität Israels der Aufbau einer binational, zweisprachigen Forschung-, und Hochschullandschaft vorstellen ließe, und es ist Haifa, wo mit Al-Midan ein arabischsprachiges israelisches Theater betrieben wird.“ (S. 220f.)

Boehm wurde in Haifa geboren, studierte in Tel Aviv und dann in Yale, lebt heute in New York und lehrt dort an der New School for Social Research. In Israel – Eine Utopie entwickelt er das Bild eines Israel, in dem Juden und Jüdinnen, Araber und Araberinnen friedlich zusammenleben. Es sei notwendig, eine Alternative zur Zweistaatenpolitik aus liberalzionistischer Perspektive zu formulieren. „Als wahre israelische Patrioten müssen wir heute die bekannten zionistischen Tabus auf den Prüfstand stellen und den Mut haben, uns einen Umbau des Landes vorzustellen: vom jüdischen Staat in eine föderale, binationale Republik.“ (S. 43f.) Das sei weder post- noch antizionistisch. Die Ursprünge des Zionismus bei Theodor Herzl, Wladimir Jabotinsky, Achad Ha'am und David Ben-Gurion seien binational gewesen. Die binationale Republik könne die liberale zionistische Hoffnung aufrechterhalten, ein demokratisches Heimatland zu sein, „in dem jüdische Bürgerinnen und Bürger ihre nationale Selbstbestimmung ausüben – neben palästinensischen Landsleuten, die dasselbe tun, und zwar beide in ihrem eigenen, gemeinsamen souveränen Staat“ (S. 44).

„Im Augenblick mag eine binationale Föderation wie eine Utopie klingen. Und wenn schon. Diese Utopie ist praktischer und realitätsnäher als das krampfhafte Festhalten an dem Glauben, Israel würde jemals Hunderttausende Siedler umquartieren. Die einzige Alternative zu einer binationalen Lösung besteht darin, eine ethnisch jüdische Politik inmitten einer arabischen Mehrheit weiterzuverfolgen. Das Ergebnis einer solchen Realitätsblindheit wäre noch mehr Gewalt, und zwar viel mehr, als wir bislang erlebt haben.“ (S. 56)