Im Gespräch mit Michael Haller

Ausgabe: 1992 | 4

Hans Peter Dürr vergleicht unser Verhalten mit einem Wanderer, der an ein Lawinenfeld kommt und glaubt, hineinlaufen zu dürfen, wenn er nur sorgfältig vorgehe, und fordert - einmal mehr - die Abkehr von der unsere Überlebensgrundlage Natur zerstörenden Lebens- und Wirtschaftsweise oder - im Bildnis formuliert - das rasche Verlassen der Lawinengefahrenzone. Im Gespräch mit Michael Haller gibt der Direktor des Max-Planck-Institutes für Physik in München und Träger des Alternativen Nobelpreises Einblick in seinen Werdegang als Naturwissenschaftler und seinen Weg zum politischen Engagement in der Umwelt- und Friedensbewegung; er berichtet von seiner Arbeit für Edward Teller und Werner Heisenberg sowie von den konkreten politischen Projekten, die er mit Gesinnungsgefährten ins Leben gerufen hat, wie etwa das "Global Challenge Network" (GCN). Die Ausführungen beeindrucken durch die Fähigkeit des Naturwissenschaftlers, Theorie und Praxis ebenso wie Wissenschaft und Politik zu verbinden und daraus gewonnene Erfahrungen, Erkenntnisse und Einsichten zu Handlungsperspektiven zu formulieren. Einige seiner Vorschläge: Neuverteilung der Forschungsmittel und Freistellung von Wissenschaftlerinnen zugunsten gesellschaftspolitisch relevanter, praxisorientierter Projekte; Erstellung von jedem Erdenbewohner zustehenden "Ökobudgets " für Energie und Verbrauch; Propagierung "sinnerfüllter Lebensstile" jenseits des Konsumismus (die bald Nachahmerfänden, da sich die Menschen immer an kulturell vorgegebenen Wertmustern orientierten); "Sonderabgaben auf nicht-erneuerbare Energieressourcen" und drastische "Verteuerung des Transports" (was automatisch zu Dezentralisierung und Drosselung der Überproduktion führen würde). Den Schlüssel zur Rettung der Natur sieht Dürr in der Veränderung unseres Wirtschaftssystems. Sein Resümee: "Wir bräuchten nur ein Drittel unserer Arbeitszeit, um das, was wirklich wichtig ist, zu produzieren. Wir arbeiten das Vierfache, um Müllhalden zu erzeugen. Durch die Anschaulichkeit von Dürrs Sprache und durch die in der Dialogform gefundene Lebendigkeit wird dieses Buch - so ist zu hoffen - zu dem beitragen, was der Autor als Überzeugung formuliert hat, nämlich, dass Einsicht durch Aufklärung im Sinne einer "Ökobildung " möglich ist. H. H.

Dürr, Hans Peter: Verantwortung für die Natur. Im Gespräch mit Michael Haller. Zürich: Pendo-Verl., 1992 (pendo-profile), 1605., DM 19,80 / sFr 16,80 / öS 154,40